05.02.2014

Linksdrehende Quarks

Tief-inelastische Streuung mit Elektronen beleuchtet Chiralität der schwachen Kopplung von Quark-Spins.

Nicht nur die Suche nach dem Higgs-Teilchen ist ein gutes Beispiel dafür, welch langer Atem in der Elementarteilchenphysik oft notwendig ist. Auch bei der Bestimmung der Kopplung von Quarks über die schwache Wechselwirkung bedarf es angesichts der komplizierten Datennahme und -analyse einiger Geduld. Nur ein einziges Mal in den letzten vierzig Jahren konnten Forscher die bevorzugte Händigkeit von Quarks direkt messen, wenn diese über die schwache Wechselwirkung anhand tief-inelastischer Streuung an Elektronen koppeln. Seinerzeit am SLAC durchgeführt, war dieses E122 genannte Experiment aber nicht präzise genug, um die verschiedenen Anteile der Kopplungen auseinander zu halten.

Abb.: Dieses hochauflösende Spektrometer im Jefferson Lab wiegt 450 Tonnen. Zwei solche Geräte waren notwendig, um die Asymmetrie in den Nukleonen nachzuweisen. (Bild: Jefferson Lab)

Die internationale Jefferson Lab PVDIS Kollaboration hat deshalb das alte Experiment nun an der Thomas Jefferson National Accelerator Facility in Virginia mit neuer Technologie wiederholt. Um die bevorzugte Händigkeit von Quarks zu bestimmen, beschossen die Forscher diese mit einem Strahl polarisierter Elektronen. Anhand der relativen Differenz im Wirkungsquerschnitt konnten sie dann die Kopplungskonstanten bestimmen, die Aufschluss darüber geben, mit welcher Chiralität Quarks am liebsten schwach wechselwirken. Dabei konnten die Wissenschaftler nicht nur die Präzision des alten Experiments um einen Faktor fünf übertreffen, sondern erstmals auch mit hoher Wahrscheinlichkeit nachweisen, dass bestimmte Kopplungen von Null verschieden sind. Die gemessenen Werte sind mit der elektroschwachen Theorie im Standardmodell kompatibel.

Für ihr Experiment nutzten die Forscher einen abwechselnd links und rechts polarisierten Elektronenstrahl bei einer Energie von knapp über sechs Gigaelektronenvolt. Die Polarisierung erzeugten sie, indem sie zirkulär polarisierte Laserstrahlen auf eine Gallium-Arsenid-Photokathode lenkten. Um systematische Fehler zu vermeiden, wechselten sie dabei die Polarisierung nach einem Zufallsmuster, wobei die Pulse mit gleicher Helizität jeweils 33 Millisekunden lang waren. Den 100 Mikroampere starken Elektronenstrahl schossen sie auf ein zwanzig Zentimeter langes Target aus tiefgekühltem. flüssigen Deuterium bei 22 Kelvin. Die Überbleibsel der tief-inelastischen Kollisionen untersuchten sie mit den beiden hochauflösenden Spektrometern in Halle A des Jefferson Lab.

Als besondere Herausforderung erwies sich einerseits die hohe Rate an Elektronen, die die beiden Detektoren vermessen mussten. Den Wissenschaftlern gelang es, bei der Datennahme eine Rate von 600 Kilohertz zu erreichen. Gleichzeitig mussten sie aber auch einen hohen pionischen Untergrund unterdrücken, wie er bei tief-inelastischen Streuungen typischerweise auftritt.

Insgesamt konnten die Wissenschaftler über einen Zeitraum von zwei Monaten rund 170 Milliarden Elektronen identifizieren, die sowohl über die elektromagnetische als auch über die schwache Wechselwirkung mit den Nukleonen im Deuterium interagiert hatten. Deuterium ist für diese Art von Versuchen das Mittel der Wahl, da es die gleiche Zahl an up- und down-Valenzquarks besitzt. Dadurch vereinfacht sich die Interpretation der Resultate.

Im Vergleich zu den Messungen vor 35 Jahren konnten die Wissenschaftler dank ihrer höheren Statistik und präziseren Messung zwei verschiedene paritätsverletzende Effekte auseinander halten: Zum einen ist dies die dominierende Wirkung aufgrund der Paritätsverletzung durch die Elektronen. Diese konnte bereits am SLAC zweifelsfrei nachgewiesen werden. Der andere Effekt ist wesentlich schwächer und beruht auf der bevorzugten schwachen Kopplung der Quark-Spins.

Mit den neuen Resultaten konnte die Jefferson Lab PVDIS Kollaboration diesen Effekt erstmals isoliert beobachten und die entsprechende Kopplung 2C2u – C2d fünffach genauer bestimmen als bislang. Diesen Wert konnte die Kollaboration nun mit über 95 Prozent Konfidenz zu größer als Null angeben, wie es auch das Standardmodell fordert. Beim E122-Experiment reichte damals die Messgenauigkeit nicht aus, um diese Kopplung genauer zu messen.

Mit diesem Ergebnis können die Forscher aber auch Aussagen über paritätsverletzende Prozesse jenseits des Standardmodells machen. Wer Phänomene sucht, die auf Quark-Spins beruhen und die Spiegelsymmetrie nicht beachten, muss jenseits der 4,6 bzw. 5,8 Teraelektronenvolt schauen. Dieser Energiebereich wäre zwar für den LHC noch zugänglich. Allerdings lassen sich solche subtilen Prozesse in Proton-Kollidern nicht sauber identifizieren.

Für die Zukunft hoffen die Forscher der Kollaboration deshalb auf die Aufrüstung des Beschleunigers am Jefferson Lab. Bis 2017 soll der Elektronenstrahl auf knapp die doppelte Energie gebracht werden und dann zwölf Gigaelektronenvolt erreichen. Zusammen mit weiteren Verbesserungen erwarten die Forscher hiervon eine fünf- bis zehnfache Steigerung der Messgenauigkeiten.

Dirk Eidemüller

PH

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