05.06.2013

Löcher in der Zeit

Temporales Cloaking für infrarote Datenpulse – Grundlage für neuartige Sicherheitstechnologie.

Mit Tarnkappen aus Metamaterialien können nicht nur Objekte für Mikrowellen und sichtbares Licht unsichtbar machen. Auch Ereignisse zu einem bestimmten Zeitpunkt können quasi in einem Zeitloch verschwinden. Vor gut einem Jahr schufen Physiker der Cornell University die Grundlage für solche Zeittarnkappen. Sie konnten damals nur ein einziges Ereignis in Form eines Datenpulses unsichtbar machen. Nun erweiterte ein Team an der Purdue University das Prinzip der Zeittarnung auf wiederholte Datenpulse, die nicht mehr mit einer infraroten Trägerwellen koppeln und übertragen werden konnten. Als potenzielle Anwendung haben die Forscher extrem sichere Verfahren für die digitale Datenübertragung im Blick.

Abb.: Eine kontinuierliche Lichtwelle (ganz links und ganz recht) wird in Einzelpulse umgewandelt (waagerechte Bahnen) und komprimiert. Ereignisse zwischen diesen Pulsen können nicht einkoppeln und werden quasi unsichtbar. (Bild: Lukens et al. / NPG)

„Unsere Experimente mit Tarnkappen für die Zeit ist mehr als bizarre Physik“, sagt Joseph M. Lukens von der Purdue University in West Lafayette. Inspiriert wurden er und seine Kollegen von dem ersten experimentellen „Zeitloch“, über das Moti Fridman und seine Kollegen von der Cornell University im Januar 2012 berichteten. Damals öffneten sie für die extrem kurze Dauer von etwa vierzig Billionstelsekunden ein Zeitloch. Die Ursache lag in der physikalischen Verwandtschaft von Raum und Zeit. Breitet sich Licht im Raum mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten aus, kann eine kurze Lücke in der Zeit entstehen. Fridmans Team verwirklichte diese Idee mit einem komplexen Laserexperiment, eigens entwickelten Zeitlinsen und einer Glasfaser, in der sich die verschiedenen Wellenlängen eines Lichtpulses mal schneller und mal langsamer bewegen können.

Passierte ein Lichtstrahl die erste Zeitlinse, beschleunigte sich die Wellenfront, während das Ende des Lichtpulses sich verlangsamte. Aufgespaltet in verschiedene Wellenlängen leiteten die Physiker diesen Lichtpuls durch eine kurze Glasfaser. Der langwellige Anteil bewegte sich in dieser langsamer, der kurzwellige Anteil dagegen schneller. So entstand eine Zeitlücke von rund 40 Picosekunden. Hinter die Glasfaser setzten die Forscher eine zweite Zeitlinse, die alle Teile des Lichtpulses wieder zusammenführte. Für einen Beobachter hinter der zweiten Zeitlinse sah der Lichtpuls genauso aus wie ganz zu Beginn.

Abb.: Das Spektrum zeigt das Verschwinden der Datenpulse bei aktivierter Zeittarnung (cloak on) mit den Phasenmodulatoren im Vergleich zur normalen Übertragung der Datenpulse (cloak off). (Bild: Lukens et al. / NPG)

Um zu überprüfen, ob mit diesem Aufbau tatsächlich ein Ereignis quasi aus der Zeit fallen kann, schickten die Forscher ein unabhängiges Lasersignal durch die Glasfaser. Da dieses Ereignis genau in das kurzfristig geöffnete Zeitloch fiel, wurde es von dem nach Wellenlängen aufgespalteten Lichtstrahl nicht beeinflusst. Physikalisch belegen ließ sich dieser Effekt durch die Verringerung der Amplitude des Ereignis-Laserpulses um eine ganze Größenordnung.

Lukens und Kollegen beschritten nun einen etwas anderen Weg. Sie schafften es mit infraroten Laserpulsen bei einer hohen Wiederholungsrate von 12,7 Gigahertz, die Einkopplung von Datensignalen zu verschiedenen Zeitpunkten gezielt zu unterbinden. Hierzu benötigten sie einen komplexen Aufbau aus Glasfaserkabeln, schaltbaren Phasenmodulatoren und Nachweisgeräten. Das Prinzip ihrer Zeittarnkappe: Eine kontinuierliche, infrarote Lichtwelle passierte einen Phasenmodulator und spaltete sich dabei über den so genannten Talbot-Effekt in eine breite Verteilung von Einzelpulsen auf. Diese Pulse bildeten einen optischen Frequenzkamm. Sie ließen sich über die Dispersion in einer Glasfaser jeweils komprimieren, so dass zwischen ihnen für knapp die Hälfte der ursprünglichen Pulsdauer Lücken entstanden.

Traf nun ein separater, optischer Datenpuls genau auf eine Lücke, konnte er nicht mehr mit dem Lichtpuls koppeln und von diesem übertragen werden. Nach diesem so getarnten Ereignis ließen sich die Einzelpulse umgekehrt ebenfalls mit Phasenmodulatoren und einer Glasfaser wieder zu einer kontinuierlichen Infrarotwelle umwandeln. Ein nachgeschalteter Detektor konnte keinen Unterschied der resultierenden Lichtwelle mit der ursprünglichen Infrarotwelle feststellen. Das Ereignis in Form des Datenpulses wurde in diesem Experiment unsichtbar. Als zusätzlichen Beleg dieses Tarneffekts deaktivierten die Forscher die Phasenmodulatoren, alle anderen Versuchsparameter blieben konstant. Das Ergebnis: Die separaten Datenpulse konnten sehr gut auf die infrarote Trägerwellen übertragen und nachgewiesen werden.

So lässt sich mit dieser Methode eine Einkopplung von Datenpulsen auf Knopfdruck verhindern. Das gelingt derzeit allerdings nur für einen sehr schmalen Wellenlängenbereich. Da sich diese Art von Experimenten mit Zeittarnkappen aber noch im Studium der Grundlagenforschung befinden, ist es bis zu einer Anwendung etwa für abgesicherte Datenübertragungen noch ein weiter Weg. „Und es ist sehr schwierig vorherzusagen, welchen Einfluss diese Experimente in Zukunft haben werden“, sagt Lukens.

Jan Oliver Löfken

Virtuelle Jobbörse

Virtuelle Jobbörse
Eine Kooperation von Wiley-VCH und der DPG

Virtuelle Jobbörse

Innovative Unternehmen präsentieren hier Karriere- und Beschäftigungsmöglichkeiten in ihren Berufsfeldern.

Die Teilnahme ist kostenfrei – erforderlich ist lediglich eine kurze Vorab-Registrierung.

Weiterbildung

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie
TUM INSTITUTE FOR LIFELONG LEARNING

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie

Vom eintägigen Überblickskurs bis hin zum Deep Dive in die Technologie: für Fach- & Führungskräfte unterschiedlichster Branchen.

Meist gelesen

Themen