Magnetische Felder im Innern von Proben zu messen gelingt bislang nur auf indirekte Weise. Mit Licht, Röntgenstrahlung oder Elektronen lassen sich zwar magnetische Orientierungen abtasten, allerdings nur auf den Oberflächen von Materialien. Neutronen dagegen dringen tief in die Probe ein, und können – dank ihrer eigenen magnetischen Eigenschaften – präzise Aufschluss über magnetische Felder im Inneren geben. Bislang aber ließen sich nur grob die unterschiedlich ausgerichteten magnetischen Domänen mit Hilfe von Neutronen kartieren, nicht aber die Vektorfelder des Magnetfelds im Inneren der Probe.
Abb.: Die magnetischen Feldlinien im Inneren eines supraleitenden Blei-Quaders bei 4,3 Kelvin. Die Schnittebene ist durch den gestrichelten Umriss angedeutet. Der Skalenstrich entspricht fünf Millimeter. (Bild: HZB)
Jetzt hat ein Team um Nikolay Kardjilov und Ingo Manke am Helmholtz-Zentrum Berlin eine neue Methode entwickelt, um die Magnetfeldlinien im Innern von massiven, dicken Proben zu vermessen: Für die tensorielle Neutronen-Tomographie setzen sie Spin-Flipper und -Polarisatoren ein, die dafür sorgen, dass nur Neutronen mit gleichgerichteten Spins die Probe durchdringen. Treffen solche spinpolarisierten Neutronen auf ein magnetisches Feld im Innern, regt dieses die Neutronenspins zur Präzession an, so dass sich die Spin-Polarisationsrichtung verändert, was Rückschlüsse auf die Feldlinien erlaubt.
Mit der neu entwickelten Methode lässt sich aus neun einzelnen Tomographien mit jeweils unterschiedlichen Neutronenspin-Einstellungen eine dreidimensionale Abbildung des Magnetfelds im Innern der Probe berechnen. Hierzu wird ein von André Hilger am HZB neu entwickelter, äußerst komplexer mathematischer Tensor-Algorithmus eingesetzt, der „TMART“ getauft wurde. Die Forscher haben die neue Methode an gut verstandenen Proben getestet und evaluiert. Im Anschluss konnten sie erstmals das komplexe Magnetfeld im Inneren von supraleitendem Blei kartieren.
Die Probe aus massivem, polykristallinem Blei wurde auf vier Kelvin abgekühlt – Blei wird supraleitend unterhalb von sieben Kelvin – und einem Magnetfeld von 0,5 Millitesla ausgesetzt. Dabei wird das Magnetfeld zwar aufgrund des Meissner-Effekts aus dem Probeninneren verdrängt, dennoch bleiben magnetische Flusslinien an den nicht supraleitenden Korngrenzen der polykristallinen Probe haften. Diese verschwinden auch nicht, nachdem das äußere Feld abgeschaltet wird, weil sie zuvor im Innern der supraleitenden Kristallkörner Ströme induzieren, die diese Felder aufrechterhalten.
„Zum ersten Mal können wir im Inneren eines massiven Materials das magnetische Vektorfeld in seiner ganzen Komplexität dreidimensional sichtbar machen“ sagt Manke. „Neutronen können gleichzeitig massive Materialien durchdringen und Magnetfelder nachweisen. Es gibt zurzeit keine andere Methode, die das ermöglicht.“ Die magnetische Tensor-Tomographie ist zerstörungsfrei und kann Auflösungen bis in den Mikrometerbereich erreichen. Die Einsatzbereiche sind extrem vielfältig. Sie reichen von der Kartierung von magnetischen Feldern in Supraleitern und der Beobachtung von magnetischen Phasenübergängen bis zur Materialanalyse, die auch für die Industrie von großem Interesse ist. So lassen sich Feldverteilungen in Elektromotoren und metallischen Komponenten abbilden und Stromflüsse in Batterien, Brennstoffzellen oder anderen Antriebssystemen mit dieser Methode visualisieren.
HZB / RK