07.05.2018

Magnetisch gesteuerte Mikrotransporter

Biohybrides Transportsystem kann sich unter Infrarotlicht selbst zerstören.

Forscher der Abteilung für Physische Intel­ligenz am Max-Planck-Institut für Intel­ligente Systeme in Stuttgart haben einen multi­funktionalen Mikro­schwimmer entwickelt, der aus zwei Teilen mit jeweils einzig­artigen Eigen­schaften besteht: Sie kombi­nieren ein Bakterium, einen der effi­zientesten in der Natur vorkommenden Schwimmer, mit einem roten Blut­körperchen. Diese Erythro­zyten haben eine hohe Tragkraft und können sich leicht verformen; sie können sich durch schmale, halb so große Kapil­laren quetschen. Gekoppelt mit der Antriebs­dynamik von Bakterien – dem Motor des Mikro­schwimmers – ist es ihm möglich, Ladung selbst durch enge Kanäle oder Lücken zu trans­portieren.

Abb.: Der von einem Bakterium angetriebene Mikroschwimmer kann sich durch eine zwei Mikrometer kleine Lücke quetschen. (Bild: MPI IS)

Die Ladung haben die Forscher in das rote Blut­körperchen einge­kapselt: zum einen das Krebs­medikament Doxorubicin sowie Eisen-Nano­partikel, damit die Wissen­schaftler den Mikro­schwimmer magnetisch steuern können. Am Zielort angekommen, zum Beispiel bei einer Krebszelle, greift die saure Umgebung des Tumors die Membran des roten Blut­körperchens an, macht sie brüchig, so dass das Krebs­medikament entweichen kann. Die geladenen Krebs­medikamente werden nahe der Krebszelle abgeliefert. Ist diese Aufgabe erfüllt, können die Forscher den Mikro­schwimmer zerstören, indem sie ihn mittels Infrarot­licht so aufheizen, dass er sich zersetzt.

„Die Verbindung zwischen dem Bakterium, dem Motor und dem roten Blut­körperchen, dem Frachtraum, ist sehr stark", sagt Oncay Yasa hinzu. „Wir verwenden das Protein Avidin, das als Karabiner­haken fungiert: Es verbindet sich auf einer Seite mit Biotin, das aus der Membran des Bakteriums herausragt, und auf der anderen Seite dockt es an die Anti­körper an, die das rote Blut­körperchen bedecken. Auf diese Weise gibt es keine starre chemische Reaktion beim Verbinden des Bakteriums mit dem roten Blut­körperchen. Vielmehr ist es eher ein beweg­liches Karabiner­hakensystem, das die beiden Teile verbindet – mit Avidin in der Mitte. Das macht den Mikro­schwimmer robuster und flexibler als andere."

„Zudem haben wir die roten Blutkör­perchen mit speziellen Molekülen beladen, die Infrarot­licht absorbieren können. Wenn wir Infrarot­licht von außen anschalten, erwärmt sich das rote Blut­körperchen, zerstört sich selbst und das ange­koppelte Bakterium. Das löst das Problem, was tun, wenn die Medi­kamente abge­liefert wurden. Wir müssen das Bakterium sofort vernichten, um seine unkontrol­lierte Vermehrung zu verhindern. Wir wollen vermeiden, dass sich der Körper mit einer Immun­reaktion verteidigt“, sagt Yunus Alapan.

Eines Tages wollen die Forscher ihre Erfindung in einem Verdauungs­trakt oder im Magen testen, aktuell aber begnügen sie sich mit Versuchen unter dem Mikroskop. „Biohy­bride Mikro­schwimmer bieten aufgrund ihrer unge­bundenen Lenk­barkeit, hohen Nutzlast, Verform­barkeit und der Möglich­keit der Zerstörung ein großes Potenzial für zukünftige nicht-invasive medi­zinische Eingriffe“, sagt Oncay Yasa. „Der von uns entwickelte Mikro­schwimmer weist eine einzig­artige Multi­funktionalität auf, die bei anderen bakterien­angetriebenen Mikro­schwimmern bisher nicht beobachtet wurde“, ergänzt Metin Sitti, Direktor der Abteilung für Physische Intel­ligenz am Max-Planck-Institut für Intel­ligente Systeme. „Die vorge­stellten Mikro­schwimmer sind ein großer Schritt hin zum eventu­ellen Einsatz weicher Biohybrid-Mikro­schwimmer in klinischen Anwen­dungen, obwohl es noch Heraus­forderungen wie die Immun­abwehr des Körpers zu überwinden gilt. Unser Mikro­schwimmer dient als Blaupause für die nächste Generation multi­modaler, ziel­gerichteter Fracht­liefersysteme,“ sagt Alapan.

MPI Intell. Systeme / JOL

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