Magnetische Molekülketten
Optimiertes Modell, um die Eigenschaften magnetischer Domänen zu berechnen.
Michael Böhme arbeitet an der Universität Jena mit Hilfe der Computerchemie an Molekülketten, die sich wie winzige Magnete verhalten. Die Eigenschaften dieser Ketten zu berechnen, ist jedoch technisch kaum möglich. Um die Berechnungen zu vereinfachen, betrachtete er statt einer schier endlosen Kette verschieden große Ringe. Darauf aufbauend entwickelte er mit Winfried Plass ein Computermodell, mit dem die Messdaten der realen Moleküle nun besser interpretiert und Eigenschaften genauer vorhergesagt werden können. Mit dieser Arbeit wollen die Forscher ;einen Beitrag leisten, solche magnetischen Systeme zu optimieren.
Einzelketten-Magnete sind Verbindungen, bei denen bestimmte magnetische Metall-Ionen – etwa Kobalt – wie auf einer Perlenkette aufgereiht sind. „Die einzelnen Metallzentren bilden zusammen jeweils eine magnetische Domäne“, sagt Winfried Plass. „Diese Domänen können magnetische Informationen speichern.“ Deren genaue Eigenschaften lassen sich aber nur schwer interpretieren oder vorhersagen. „Diese Systeme sind hochkomplex“, ergänzt Michael Böhme. „Zum einen sind die Ketten in der Wirklichkeit ja nicht unendlich – das heißt, auch ihre Enden wirken sich auf die Eigenschaften aus. Andererseits sind die Metallzentren nicht identisch aufgebaut. Je nachdem in welcher Reihenfolge sie angeordnet sind, wirkt sich das auch auf den Magnetismus aus, den wir am Ende im Experiment beobachten. Das bringt die bisherigen theoretischen Modelle an ihre Grenzen, mit denen wir diese Eigenschaften interpretieren oder vorhersagen.“
Dazu komme ein weiteres Problem, sagt Plass: „Die bisher verfügbaren Computer sind nicht leistungsfähig genug, um die Eigenschaften langer Ketten zu berechnen. Für die ab-initio-Berechnungen brauchen sie für ein einzelnes Metallzentrum etwa eine Woche. Eine komplette Domäne aus mehreren Zentren zu berechnen, ist mit aktuellen Computern nicht durchführbar.“ Bereits in den 1920er Jahren wurde das Ising-Modell entwickelt, das magnetische Molekülketten stark vereinfacht betrachtet. „Im Wesentlichen wird das Ising-Modell seit einhundert Jahren bis heute benutzt“, sagt Plass. „Was Michael Böhme jetzt gemacht hat, war, ein weniger idealisiertes Modell auf der Basis von ab-initio-Berechnungen zu entwickeln, das näher an der Wirklichkeit liegt.“ „Neben den eigentlichen Metallzentren sind auch die Bindeglieder wichtig, die die Wechselwirkung zwischen den magnetischen Zentren vermitteln“, sagt Böhme. „Diese Informationen erhalten wir, indem wir das theoretische Modell an die tatsächlich erhaltenen Messdaten anpassen. Auf diese Weise können wir schließlich die Eigenschaften der Domänen berechnen. Das erlaubt uns auch Vorhersagen darüber, wie sich bisher unbekannte Einzelketten-Magnete verhalten.“
Statt eine quasi endlose Kette zu berechnen, wendete Böhme sein Modell auf Ringe mit drei, sechs, neun und zwölf Gliedern an. „Zwölf ist die höchstmögliche Zahl für uns, weil es hier 4.096 mögliche Zustände gibt, die berechnet werden müssen“, erklärt Böhme. Plass ergänzt: „Wir können aber von diesem Punkt aus die Eigenschaften längerer Ketten durch Extrapolation sehr gut vorhersagen.“ Grundsätzlich sind magnetische Materialien sind sehr gut geeignet, um Informationen zu speichern. „Einzelne, magnetische Moleküle haben zudem das Potenzial, viel mehr Information unterzubringen als die bisherigen Speichermedien, bei denen einzelne Bereiche magnetisiert werden“, sagt Plass.
FSU Jena / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
M. Böhme & W. Plass: How to link theory and experiment for single-chain magnets beyond the Ising model: magnetic properties modeled from ab initio calculations of molecular fragments, Chem. Sci. 10, 9189 (2019); DOI: 10.1039/C9SC02735A - Institut für Anorganische und Analytische Chemie (W. Plass), Friedrich-Schiller-Universität Jena