25.04.2023

Magnetische schwergewichtige Sterne brauchen Gesellschaft

Neue Analyse von Magnetfeldern in Mehrfachsternsystemen.

Forschende des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam, der Europäischen Südsternwarte Eso und des Kavli-Instituts und des Instituts für Physik des MIT haben entdeckt, dass Magnetfelder in Mehrfach­sternsystemen mit mindestens einem schweren, heißen blauen Stern viel häufiger vorkommen als bisher von Fachleuten angenommen. Die Ergebnisse verbessern erheblich das Verständnis massereicher Sterne und ihre Rolle als Vorläufer von Supernova­explosionen.

Abb.: In dieser Simulation bilden die Magnet­feldlinien die Magneto­sphäre...
Abb.: In dieser Simulation bilden die Magnet­feldlinien die Magneto­sphäre eines Sterns. (Bild: M. Küker, AIP)

Blaue O-Typ-Sterne gehören zu den massereichsten Sternen in unserem Universum mit einer Masse von mehr als dem achtzehn­fachen unserer Sonne. Zwar sind sie selten, aber so heiß und leuchtstark, dass vier der neunzig hellsten von der Erde aus sichtbaren Sterne zu dieser Kategorie gehören. Sie sind von außer­ordentlicher Bedeutung, weil sie energiereiche physikalische Prozesse in Gang setzen, die die Struktur ganzer Galaxien beeinflussen und die Regionen zwischen den Sternen chemisch anreichern. In diesen Bereichen mit aktiver Sternentstehung, wie den Spiralarmen einer Galaxie, oder in Galaxien, die gerade kollidieren oder verschmelzen, findet man normalerweise O-Typ-Sterne. Solche masse­reichen Sterne sind für magnetische Studien von besonderem Interesse, da sie ihre Entwicklung explosions­artig als Supernova beenden und ein kompaktes Objekt wie einen Neutronen­stern oder ein Schwarzes Loch als Überrest hinterlassen.

Doppelsterne sind Systeme aus zwei Sternen, die durch die Schwerkraft aneinander gebunden sind und sich gegenseitig umkreisen. Wenn beide Komponenten Sterne vom Typ O sind, kann das Doppel­sternsystem zu einem kompakten Objekt werden. Am Ende ihres Lebens erzeugen sehr massereiche Sterne ein Schwarzes Loch, während die weniger massereichen Sterne vom Typ O als Neutronen­sterne enden, wenn sie als Supernova sterben. Aus den Doppelsternen können also zwei Neutronen­sterne, ein Neutronenstern und ein schwarzes Loch oder zwei schwarze Löcher entstehen. Die Umlaufbahnen dieser Objekte verringern sich durch die Emission von Gravitations­wellen und können von Gravitationswellen­detektoren beobachtet werden.

Wie die Sonne haben auch massereiche Sterne stellare Winde. Dieses Plasma reagiert auf das Magnetfeld des Sterns. Dadurch entsteht eine Struktur, eine Magnetosphäre, die alle Sterne und Planeten mit Magnetfeldern besitzen, einschließlich der Erde, die dadurch vor energie­reicher kosmischer Strahlung geschützt ist. Das Plasma, das sich mit Tausenden von Kilometern pro Sekunde bewegen kann, ist dabei extremen Zentrifugalkräften ausgesetzt. Eine wissen­schaftliche Theorie ist, dass dieser magnetische Mechanismus die eng gebündelte Explosion massereicher Sterne verursacht, und damit für langanhaltende Gammastrahlen­ausbrüche, Röntgenblitze und andere Phänomene in Zusammenhang mit Supernovae von Bedeutung ist.

Eine theoretische Erklärung für den Einfluss von Magnetfeldern auf Supernovae oder lang andauernde Gammastrahlen­ausbrüche wurde zwar schon vor Jahrzehnten vorgeschlagen, aber seither wurde nur von elf Sternen vom Typ O berichtet, die Magnetfelder aufweisen. Mit Ausnahme eines Sterns handelte es sich bei allen um Einzel­sterne oder weite Doppelsterne. Diese Tatsache war sehr rätselhaft, da frühere Studien gezeigt hatten, dass mehr als neunzig Prozent der Sterne vom Typ O in Mehrfach­systemen mit zwei oder mehr Sternen entstehen. In der Tat waren viele Astronominnen und Astronomen über die relativ geringe Anzahl von Magnetfeldnachweisen bei massereichen Sternen verwirrt, da sie einige der beobachteten physikalischen Eigenschaften von Mehrfach­systemen nicht inter­pretieren konnten, ohne die Wirkung eines Magnetfeldes zu berück­sichtigen.

Um diese Diskrepanz zu beheben, führten die Forschenden eine magnetische Untersuchung durch, bei der sie archivierte spektropolarimetrische Beobachtungen von Sternsystemen mit mindestens einer Komponente vom Typ O verwendeten. Die Spektro­polarimetrie misst die Polarisation des Lichts, die Aufschluss über das Vorhanden­sein eines Magnetfelds in einem Stern gibt. Sie verwendeten Daten der hoch­auflösenden Spektro­polarimeter HARPS, das am 3,6-Meter-Teleskop der Eso auf La Silla/Chile installiert ist, und ESPaDOnS am Canada-France-Hawaii-Teleskop auf Mauna Kea. Um die Daten zu analysieren, entwickelten sie ein spezielles, ausge­klügeltes Verfahren zur Messung des Magnet­feldes.

„Zu unserer Überraschung zeigten die Ergebnisse eine sehr hohe Häufigkeit des Magnetismus in diesen Mehrfachsystemen. In 22 der 36 untersuchten Systeme wurden definitiv Magnet­felder nachgewiesen, während nur drei Systeme keinerlei Anzeichen eines Magnetfeldes aufwiesen“, erklärt Silva Järvinen, Wissen­schaftlerin in der Abteilung Sternphysik und Exoplaneten am AIP. „Die große Anzahl von Systemen mit magnetischen Komponenten gibt Rätsel auf, deutet aber wahrscheinlich darauf hin, dass die Tatsache, dass diese Sterne sich als Doppelstern­systeme entwickelt haben, eine entscheidende Rolle bei der Erzeugung von Magnetfeldern in masse­reichen Sternen spielt, und zwar durch Wechselwirkungen zwischen den System­komponenten, wie etwa Massentransfer zwischen den Sternen oder sogar durch eine Verschmelzung zweier Sterne. Diese Arbeit ist auch die erste Beobachtungs­bestätigung für das zuvor vorgeschlagene theoretische Szenario, wie das Magnetfeld eines Sterns seinen Tod beeinflusst und eine schnellere und heftigere Supernova­explosion verursacht“, fährt Swetlana Hubrig fort.

AIP / JOL

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