Magnetronsputtern – Innovationsmotor seit vier Jahrzehnten!
Vom ersten Hi-Tech-Bohrer über Festplatten, Flachdisplays und Solarzellen bis hin zu Präzisionsoptiken.
Können wir uns ein Leben ohne Flachbildschirm, Smartphone, iPad und Co. noch vorstellen? CD, DVD und Blu-ray sind in unserem Alltag ebenso selbstverständlich geworden wie die Festplatte mit Speicherkapazitäten im Terrabyte-Bereich. Die Floppy Disk mit der für die 80er Jahre bemerkenswerten Speicherkapazität von 1,44 Megabyte gehört heute zur IT-Steinzeit. Wir bauen Häuser aus „intelligentem“ Glas und kaufen Bohrer mit superharten goldfarbigen Schichten im Supermarkt. Möglich geworden ist dies alles durch ein Beschichtungsverfahren, das sich seit den späten 70er Jahren als Magnetronsputtern etabliert hat.
Abb. Magnetronsputtern für die Präzisionsoptik:
Interferenzfilter. (Bid: IST)
Die Geschichte der Kathodenzerstäubung (Sputtering) beginnt im 19. Jahrhundert. W. R. Grove berichtete in 1852 als erster über das Phänomen, das er im Rahmen seiner Untersuchungen an Niederdruck-Glimmentladungen entdeckte. Es dauerte allerdings mehr als 100 Jahre, bis der Effekt zur industriellen Fertigung dünner Schichten genutzt werden konnte. Der eigentliche Durchbruch gelang schließlich mit der Entwicklung der magnetfeldgestützten Plasmaentladung in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Die Vielfalt der heute durch Magnetronsputtern herstellbaren Schichten ist enorm, neben den reinen Elementen erlauben die reaktiven Varianten die Abscheidung von Oxiden, Nitriden und Carbiden. Magnetronplasmen sind relativ problemlos skalierbar, sie liefern dichte und haftfeste Schichten bei Depositionsraten zwischen 1 nm/s und 50 nm/s.
In 1980 präsentierten Werkzeughersteller die ersten mit Titannitrid beschichteten Bohrer, um die gleiche Zeit begann der Siegeszug der transparenten Wärmedämmverglasung, heute Grundlage für die enorme Bedeutung von Glas als Konstruktionswerkstoff. Die Folgejahre waren geprägt von großen Herausforderungen: Materialausnutzung und Langzeitstabilität der Prozesse – insbesondere bei der Herstellung hochisolierender Schichten – standen im Fokus der Entwicklung. Paradigmen mussten gebrochen werden: die ursprünglich ebenen Targets wichen Rohren, die höhere Ausnutzung und Standzeiten ermöglichten. In den 90er Jahren sorgte das Pulsmagnetronsputtern für eine erneute Revolution in der Beschichtungstechnologie. Parallel dazu entwickelten sich Anwendungen wie Bauteil- und Werkzeugschichtungen, Architekturverglasung, Flachdisplays oder Dünnschicht-Solarzellen.
Abb. Magnetronsputtern von Titan (oben: konventionell, unten: HIPIMS)
Zu Beginn unseres Jahrtausends eröffneten sich wiederum neue Horizonte: Die Untersuchungen an hochionisierten Plasmen (High Power Impulse Magnetron Sputtering oder HIPIMS) zeigten, dass weitere Steigerungen in der Schichtqualität möglich sind. „HIPIMS is the future“ frohlocken daher heute einige der Hersteller von Werkzeugbeschichtungen.
Derzeit ist Magnetronsputtern auf dem Siegeszug in einer Disziplin, die bisher der Elektronenstrahlbedampfung vorbehalten war, nämlich der Präzisionsoptik. Damit schließt sich eine Lücke zwischen hoher Produktivität beim Dampfen und der hervorragenden Schichtqualität beim vergleichsweise langsamen Ionenstrahlzerstäuben.
Die Vakuum in Forschung und Praxis widmet sich mit ihrer Sonderausgabe zu Sputtertechniken und ihren Anwendungen ganz diesen Themen. Der Beitrag „Plasma auf großer Fläche“ in dieser im August erschienen Ausgabe geht einleitend der Frage nach der „großen Fläche“ nach. Der Begriff ist dehnbar, daher sei abschließend ein eindrucksvolles Beispiel für die Leistungsfähigkeit des Magnetronsputterns genannt. Vor etwa 25 Jahren begann die Europäische Südsternwarte ESO mit der Realisierung des so genannten „Very Large Telescope VLT“, das heute atemberaubende Bilder aus den Tiefen des Universums liefert. Das Teleskop besteht aus vier Spiegeln mit je 8,2 Metern Durchmesser (Spiegelfläche etwa 53 m²). Die für die Funktion notwendigen hochreflektierenden Metallschichten werden mit Dickenabweichungen von wenigen Nanometern durch Magnetronsputtern aufgebracht, der Beschichtungsprozess war einer der Schlüssel für den erfolgreichen Abschluss des Projekts. Meines Wissens nach handelt es sich bei diesen Spiegeln (wenn wir von kontinuierlich durchlaufenden Folienbahnen absehen) um die größten monolithischen Substrate, auf die man jemals eine dünne Schicht abgeschieden hat, und wahrscheinlich wird sich dies auch in der Zukunft nicht ändern.
Prof. Dr. Günter Bräuer
Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST
Kurator der Vakuum in Forschung und Praxis