Magnus-Haus wird EPS Historic Site
Die Europäische Physikalische Gesellschaft würdigt die physikgeschichtliche Bedeutung der Hauptstadtrepräsentanz der DPG.
Mit dem Magnus-Haus präsentiert sich die DPG in geschichtsträchtiger und architektonisch eindrucksvoller Umgebung des Pergamon-Museums in Berlin Mitte. Das Gebäude ist auch der Sitz der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin, gleichzeitig Keimzelle und heutiger Regionalverband der DPG.
Gustav Magnus wohnte 30 Jahre in dem nach ihm benannten Haus. Das ist eigentlich nicht viel Zeit in seiner fast 270-jährigen Geschichte. Doch diese drei Jahrzehnte waren von großer Bedeutung für die Geschichte der Physik in Deutschland, wie der Wissenschaftshistoriker Stefan Wolff in seinem Vortrag aus Anlass der Verleihung des Titels „EPS Historic Site“ an das Magnus-Haus anmerkte.
In einem feierlichen Akt am 15. Oktober 2021 enthüllten EPS-Präsident Luc Bergé und DPG-Präsident Lutz Schröter, in Anwesenheit weiterer Gäste die zugehörige Gedenktafel. Das Magnus-Haus reiht sich in Deutschland damit ein in Stätten wie die Physikalisch-Technische Bundesanstalt in Berlin, das frühere Physikalische Institut in Würzburg, die ehemaligen Laboratorien der Heidelberger Wissenschaftler Gustav Robert Kirchhoff und Robert Wilhelm Bunsen oder das Rogowski-Institut der RWTH Aachen. Zuletzt erhielt Jena erstmals als ganze Stadt das Prädikat „EPS Historic Site“
Der 1802 in Berlin geborene Gustav Magnus wurde außerordentlicher Professor für Technologie an der Berliner Universität. „Eine Professur für Physik sollte er nie erhalten, aber das sollte seine Wirksamkeit auf diesem Gebiet in keiner Weise einschränken“, erläutert Stefan Wolff. Das Jahr 1840 erweist sich für Magnus als lebensbestimmend: Er wurde in die Berliner Akademie aufgenommen und erwarb vor der Heirat mit der Tochter des verstorbenen Verlegers Humblot das Haus am Kupfergraben, das nicht nur der Familiengründung, sondern auch der Lehre und Forschung dienen sollte.
In diesem Haus konzentrierten sich seine physikalischen Aktivitäten: Er hielt Vorlesungen und richtete dafür ein „physikalisches Kabinett“ mit Apparaten ein. Ab 1843 versammelte er den wissenschaftlichen Nachwuchs zum „Physikalischen Colloquium“ und leitete zu eigenen Forschungen an. Teilnehmer des Colloquiums gründeten 1845 schließlich die Physikalische Gesellschaft zu Berlin, aus der 1899 die Deutsche Physikalische Gesellschaft hervorging.
Zu den bedeutenden Wissenschaftlern, deren Wirken mit Magnus verbunden ist, zählen unter anderem Rudolf Clausius, Emil du Bois-Reymond, Josiah Willard Gibbs, Hermann von Helmholtz, Gustav Robert Kirchhoff, August Kundt, Georg Hermann Quincke, Werner von Siemens, John Tyndall, Emil Warburg sowie Gustav Heinrich Wiedemann.
Auch wenn Magnus selbst kein Mitglied dieser Gesellschaft wurde und nie eine Professur für Physik erhielt, etablierte sich mit seinem 1863 eingerichteten größeren Laboratorium für Physik gewissermaßen ein Vorläufer eines modernen Universitätsinstituts, wie Stefan Wolff betonte. Das große Anliegen von Magnus, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern, ist auch ein zentrales Ziel der Aktivitäten der DPG.
Heute dient das Magnus-Haus Berlin als wissenschaftliche Begegnungsstätte vornehmlich zur Intensivierung des Gedankenaustausches zur Lösung von Problemen, bei denen die Physik helfen kann und die von allgemeiner Bedeutung für unsere Gesellschaft sind. „Die Auszeichnung des Magnus-Hauses Berlin als „EPS Historic Site“ ist für die DPG von zentraler Bedeutung, um unsere Verantwortung als DPG als Wissensgesellschaft für unsere Gesellschaft, unsere Kultur wahrzunehmen“, sagte DPG-Präsident Lutz Schröder. Dies sei gerade im Hinblick auf die Bewältigung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen wichtig, insbesondere des Klimawandels.
Das Magnus-Haus beherbergt auch das Archiv der DPG. Die Büros, der Vortragssaal, Tagungsräume und die Remise mit dem Garten werden zudem für wissenschaftliche oder kulturelle Veranstaltungen vermietet. Altbundespräsident Richard von Weizsäcker unterhielt im Westflügel des Hauses bis zu seinem Tode im Jahr 2015 ein Büro.
Ingolf Hertel vom Max-Born-Institut Berlin, der 20 Jahre im Kuratorium des Magnus-Hauses aktiv war, ließ die wichtigsten neueren Wegmarken der Geschichte des Hauses Revue passieren. 1958 übergab Oberbürgermeister Friedrich Ebert das Haus anlässlich des 100. Geburtstages von Max Planck an die Physikalische Gesellschaft der DDR zur dauernden Nutzung. Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde das zunehmend verfallende Gebäude von der DPG kernsaniert. Dies war unter anderem durch Spenden der Siemens AG und der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin möglich.
Im Februar 2001 beschloss der Berliner Senat unter Führung von Eberhard Diepgen (CDU), das Magnus-Haus an die Firma Siemens zu verkaufen, die das Haus selbst einmal als Firmenrepräsentanz nutzen möchte. Trotz massiver Proteste und eigenem Kaufinteresse der DPG erfolgte der Verkauf im September 2001. Der mit der DPG geschlossene Nutzungsvertrag läuft 2024 aus. Wie es dann weitergeht, ist noch offen. Die Bedeutung des Magnus-Hauses für die Physikgeschichte bleibt in jedem Fall erhalten.
DPG / Alexander Pawlak
Weitere Infos
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- D. Hoffmann, Streifzug: Der Effekt von Magnus (Physik Journal, November 2020, S. 26)
- Rezension: Dieter Hoffmann (Hrsg.): Gustav Magnus und sein Haus, GNT-Verlag, Diepholz 2020 (erw. Neuausgabe)
- M. Pfalz, Tagungszentren ohne Tagungsbetrieb (Physik Journal, August/September 2020, S. 105)
- A. Pawlak, Das Gedächtnis der DPG – Interview mit DPG-Archivar Ralf Hahn (Physik Journal, November 2020, S. 39)
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- S. Jorda, „Ich war elektrisiert“ – Interview mit Theo Mayer-Kuckuk (Physik Journal, Juli 2006, S. 55)
- T. Mayer-Kuckuk, Das Magnus-Haus der Deutschen Physikalischen Gesellschaft in Berlin (Physik Journal, Februar 2002, S. 57)
- Jena: Eine ganze Stadt der Physik (Physik Journal Nachrichten, 8. Juni 2021)
- Aachen: Wiege der Beschleunigertechnik (Physik Journal Nachrichten, 30. September 2019)
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