Makroelektronik: Schneller produzieren ohne Roboter
Selbstorganisation von Leuchtdioden und elektronischen Bauteilen als günstige und schnelle Alternative für die industrielle Produktion.
Schnell und fehlerfrei: Das sind die wichtigsten Anforderungen für die Fertigung von Computerchips, Displays oder Leuchtdioden. Industrieroboter garantieren bei der Produktion exakt ausgeführte Arbeitsschritte und geringen Ausschuss. Doch für die Anordnung kleiner Leuchtdioden zu Lichtflächen oder Displays gibt es eine schnelle und günstige Alternative. Deutsche und amerikanische Wissenschaftler entwickelten eine Produktionsanlage, bei der die winzigen Bauteile selbstorganisiert den richtigen Platz finden. Mit diesem Ansatz könnte die Industrie ohne den Einsatz teurer Roboter schneller und dennoch mit hoher Qualität produzieren.
Abb.: Auf flexiblen Substratstreifen lassen sich kleine Siliziumchips oder Leuchtdioden punktgenau ohne Roboterhilfe positionieren. Dank selbstorganisierenden Prozesse sind sogar komplexe Anordnungen in Form von Schriftzügen oder Piktogrammen möglich. (Bild: Park et al. / Wiley-VCH)
Bisher werden in der industriellen Fertigung Chips durch herkömmliche Roboter via „Pick-and-Place“ auf Oberflächen angeordnet und mit Drahtbrücken zum Substrat kontaktiert. „Unser Verfahren basiert auf eine gesteuerte Selbstorganisation oder Selbstmontage, wobei die Chips sich an gewünschte Stellen auf dem Substrat anlagern und elektrisch verbinden“, sagt Heiko Jacobs von der TU Ilmenau. Mit seinen Kollegen baute er einen Prototypen, der testweise kleine Siliziumchips oder einzelne Leuchtdioden mit hoher Zuverlässigkeit auf ein flexibles Substrat anordnen konnte.
Als Fördermedium für die kleinen Bauteile nutzten die Wissenschaftler Wasser, dass durch eine Düse oberhalb eines durchlaufenden Subtratstreifens gepumpt wurde. Danach sanken die im Wasser verteilten Siliziumchips oder Leuchtdioden in einem Wasserbad ab. Auf dem flexiblen Substratstreifen angelangt, hafteten die elektronischen Bauteile mit ihren leitfähigen Kontaktflächen aus Kupfer oder Gold an. Die exakten Andockpositionen wurden durch vorher aufgebrachte Kontaktpunkte auf dem Substrat aus einer bei niedrigen Temperaturen schmelzenden, Indium-haltigen Metalllegierung vorgegeben. Um diese Legierung flüssig zu halten, heizten Jacobs und Kollegen das Fördermedium Wasser auf etwa 80 Grad auf.
Damit die Chips und Leuchtdioden nicht ungeordnet oder verdreht anhafteten, nutzten die Forscher einen selbstorganisierenden Effekt aus: Die Oberflächenspannung der flüssigen Indiumlegierung übte ausreichend Rückstellkräfte aus, um jedes Bauteil exakt ausrichten zu können. Dabei wirkten Kräfte in der Größenordnung weniger Mikronewton. Diese waren groß genug, um ein durch Schwerkraft oder Wasserströmung mögliches Verrutschen der Bauteile zu vermeiden. Abgekühlt erstarrte die Indiumlegierung und hielt jedes Bauteil, elektrisch kontaktiert, an der gewünschte Position fest.
Mit der Pilotanlage deponierten die Forscher pro Stunde bis zu 15.000 Bauteile auf einer Substratfläche. Mit mehreren Düsen ließe sich diese Rate elegant um ein Vielfaches steigern. „Der Durchsatz ist eigentlich unbegrenzt und skalierbar, indem die Breite des Webs [eines Substrats] eingestellt wird“, sagt Jacobs. Bauteile, die das Substrat verfehlten, ließen sich am unteren Ende der Anlage wieder aufsammeln und konnten abermals in den Förderkreislauf eingespeist werden. Die Qualitätskontrolle der so gefertigten makroelektronischen Streifen zeigte nur wenige Lücken oder falsch positionierte Chips bzw. Leuchtdioden. Mit einer Fehlerrate von deutlich unter einem Prozent könnte dieses Verfahren sogar mit herkömmlichen „Pick & Place“-Robotern konkurrieren.
„Das Ziel unserer Tätigkeiten ist es, erste Maschinen zu erfinden und zu entwickeln, die diese aus der Grundlagenforschung entstandene Methode gezielt einsetzt und die Anwendbarkeit für praktische Produktionsanwendungen prüft“, sagt Jacobs. Dem Forscher schwebt dabei etwa eine Anlage vor, um großflächige LED-Leuchtflächen günstig und mit hoher Qualität fertigen zu können.
Jan Oliver Löfken
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