Mal Metall, mal Isolator
Röntgenstreuung offenbart Ursache für Phasenwechsel in Neodymnickeloxid.
Computer, Smartphones und jegliche elektronischen Geräte haben als Grundelemente winzige Transistoren auf Siliziumbasis. Womöglich kann dieser Halbleiter aber eines Tages Konkurrenz von speziellen Metalloxiden bekommen. Manche dieser Materialien lassen sich nämlich zwischen Isolator und elektrisch leitendem Metall hin- und herschalten. Mit ihnen ließen sich daher prinzipiell ebenfalls Transistoren bauen.
Abb.: Thorsten Schmitt, Forschungsgruppenleiter Spektroskopie neuartiger Materialien am Paul Scherrer Institut, an der ADRESS-Beamline der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS. (BIld: PSI / M. Fischer)
Um bei diesen Materialien den Phasenübergang von Metall zu Isolator grundlegend zu verstehen, haben sich Forscher des Paul Scherrer Instituts PSI und der Universität Genf zusammen mit Wissenschaftlern der kanadischen University of British Columbia einen Vertreter dieser Materialklasse angeschaut: Ramanspektren offenbarten die Ursache für den Phasenwechsel in Neodymnickeloxid. Oberhalb der Temperatur von rund 150 Kelvin ist das Material ein Metall und leitet Strom. Unterhalb dieser Temperatur dagegen ist es ein Isolator und somit nicht leitend. Da die Anordnung der Elektronen im Material für diese Eigenschaften verantwortlich ist, wollten die Forschenden erstens herausfinden, welche energetischen Zustände die Elektronen im Material einnehmen, also wie in diesem konkreten Fall die Besetzung der Nickel- und der Sauerstoff-Orbitale aussieht. Für die Untersuchung der elektronischen Struktur nutzten PSI-Forscher Thorsten Schmitt und seine Kollegen an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS die Methode der resonanten inelastischen Röntgenstreuung (Resonant Inelastic X-Ray-Scattering, RIXS).
Mit RIXS regten die Forscher einen Nickel-Elektronenübergang resonant an. Das Material reagierte mit einer Lichtemission, aus der sich die elektronische Struktur des Materials bestimmen ließ. Um für die resonante Anregung des Nickelübergangs die einzustrahlende Energie zu ermitteln, zeichneten die Forschenden zunächst ein Absorptionsspektrum auf. Dieses zeigte die Resonanzenergie bei rund 853 Elektronenvolt. Die eigentliche Messung bestand dann daraus, bei vielen verschiedenen Einstrahlungsenergien unterhalb der Resonanzenergie, auf der Resonanzenergie und darüber RIXS-Spektren aufzuzeichnen. „Indem wir die eingestrahlte Energie um die Resonanz herum durchfahren, können wir unterscheiden, welcher Beitrag in unseren RIXS-Spektren durch die beim Nickel lokalisierten Elektronen kommt und welcher Beitrag von den Elektronen der Sauerstoffatome stammt“, erklärt Valentina Bisogni.
Abb.: RIXS-Spektren als Funktion der eingestrahlten Energie. Oben die Messung bei 300 Kelvin, wo sich das Material metallisch verhält, unten die Messung bei 15 Kelvin, wo das Material isolierend ist. (Bild: V. Bisogni et al.)
Der Clou: Dieses Experiment führten die Forschenden zwei Mal durch. Zunächst weit oberhalb der Übergangstemperatur bei 300 Kelvin, wo sich das Neodymnickeloxid sich metallisch verhielt. Und ein zweites Mal bei 15 Kelvin weit unterhalb der Übergangstemperatur, als das Material als Isolator vorlag. Aus dem Vergleich beider Serienmessungen ergab sich, welche Veränderung der Elektronenstruktur für den Phasenübergang von Metall zu Isolator verantwortlich war. So blieb beim Phasenübergang vom Metall zum Isolator die elektronische Struktur der Nickelatome gleich. Jedes Nickelatom war jedoch von sechs Sauerstoffatomen umgeben und diesen sechs Atomen fehlten im metallischen Zustand insgesamt zwei Elektronen. Im isolierenden Zustand dagegen wechselten die sechs Sauerstoffatome zwischen ihrer normalen elektronischen Struktur und einem Zustand, in denen ihren vier Elektronen fehlten.
Theoretische Berechnungen, erklärt Schmitt, hätten schon seit ein paar Jahren darauf hingedeutet, dass die Änderungen nicht im Bereich der Nickel- sondern im Bereich der Sauerstoffatome stattfänden. Nun ist uns an der SLS ein eindeutiger experimenteller Nachweis geglückt, so Schmitt. Mit ihrer Messung haben die Forscher nicht nur die Ursache des Metall-Isolator-Übergangs im Neodymnickeloxid ermittelt. Sie haben zugleich demonstriert, wie die RIXS-Technik eingesetzt werden kann, um allgemein komplexe elektronische Strukturen von Materialien zu bestimmen. Der Phasenübergang des Materials zwischen Metall und Isolator liesse sich nicht nur durch Temperatur, sondern auch durch das Anlegen einer elektrischen Spannung realisieren, betont Schmitt. Dies käme zum Einsatz, wenn diese Materialien eines Tages in der Elektronik Einzug halten sollten. Derzeit sei ihre Forschung an dieser besonderen Oxidklasse noch Grundlagenforschung.
PSI / JOL