12.06.2015

MAMI und die Hyperonen

Masse eines seltsamen Atomkerns am Mainzer Teil­chen­be­schleu­niger mit großer Genauig­keit neu bestimmt.

Einer internationalen Gruppe Physikern ist es am Mainzer Institut für Kern­physik gelungen, die Masse eines „seltsamen“ Atomkerns mit einer neuartigen Mess­methode zu bestimmen, die eine wesentlich größere Genauigkeit als bisherige Methoden aufweist. Am Teilchen­beschleuniger MAMI ließ sich der radioaktive Zerfall von künstlich erzeugten, über­schweren Wasserstoff-Atomkernen weltweit zum ersten Mal mit einer Kombination mehrerer magnetischer Spektro­meter beobachten. Über das genaue Vermessen der Zerfalls­produkte konnte die Masse präzise ermittelt werden.

Abb.: Die Verwendung der im Bild zu sehenden magne­tischen Spektro­meter in der Experi­mentier­halle am Teilchen­­beschleuniger MAMI ermöglichte es, die Masse eines seltsamen Atom­kerns neu zu vermessen. (Bild: JGU, )

Solche Messungen sind besonders hilfreich für das Verständnis der „starken Kraft“, die die Atomkerne zusammenhält und so für die Beständig­keit der Materie verantwortlich ist. Auch nach Jahrzehnten der Forschung sind viele grund­sätzliche Details dieser Kraft noch nicht verstanden. Atomkerne der uns alltäglich umgebenden Materie bestehen aus zwei Bausteinen, den positiv geladenen Protonen und den elektrisch neutralen Neutronen. Diese wirken auf vielfältige Weise miteinander und untereinander. Haupt­sächlich herrscht zwischen ihnen eine ungeheure Anziehungs­kraft, die für die Bindung der Bausteine zu Atomkernen verant­wortlich ist. Die Masse des Atomkerns ist dabei geringer als die Summe der Masse seiner Bestandteile. Die „fehlende Masse“ steckt nach Einstein bekanntlich in der Energie der Bindungen im Atomkern. Wird die Masse präzise vermessen, lässt sich also die Bindungsenergie bestimmen, und es lassen sich Rückschlüsse auf die Natur der starken Kraft ziehen.

Neben den Protonen und Neutronen können prinzipiell auch andere verwandte Teilchen in einem Atomkern gebunden sein, etwa ein Hyperon, das auch als „seltsames“ Neutron bekannt ist. Einen solchen Atomkern nennt man dann einen seltsamen Atomkern oder auch Hyperkern. An Teilchen­beschleunigern wie MAMI ist es möglich, diese künstlich zu erzeugen. Seltsame Teilchen können auf der Erde nur für einen Bruchteil einer Sekunde existieren, aber möglicher­weise gibt es große Vorkommen tief im Innern von Neutronen­sternen, die ebenso von der starken Kraft zusammen gehalten werden. Viele offene Fragen zu diesen spekta­kulären Stern­leichen aus den Tiefen des Alls sind bislang unbeant­wortet: Wie groß sind Neutronen­sterne? Was befindet sich in ihren nicht beobacht­baren Zentren? Wie heiß und dicht ist es dort? Über das Studium der Hyper­kerne lassen sich sonst unzugängliche Details der starken Kräfte bestimmen, welche nicht nur in seltsamen Atomkernen, sondern auch in Neutronen­sternen wirken. Somit werden die Fragen angegangen, wie man den Aufbau von winzigen Atomkernen und von gigantischen Neutronen­sternen verstehen kann und wie beides zusammenhängt.

Am Mainzer Mikrotron haben die Wissenschaftler um Josef Pochodzalla und Patrick Achenbach eine sehr schwere Form des Wasserstoffs erzeugt, dessen Kern aus einem Proton, zwei Neutronen und einem Hyperon besteht. Dieser künstlich geschaffene seltsame Atomkern hat eine etwa doppelt so große Masse wie das Deuterium. Um die Masse des seltsamen Wasserstoff-Atomkerns möglichst exakt bestimmen zu können, beobachteten die Kernphysiker den radioaktiven Zerfall des Atomkerns erstmals mit mehreren magnetischen Spektrometern zugleich. Diese Geräte funktionieren hier ähnlich wie Elektronenmikroskope, allerdings in einem viel größeren Maßstab: Sie lenken die Teilchen durch ein starkes Magnetfeld ab und bündeln sie an einer Stelle, an der Teilchendetektoren sie vermessen. Für eine möglichst große Genauigkeit sind die Spektrometer nahezu fünfzehn Meter hoch und wiegen mehr als zweihundert Tonnen. Weitere Voraussetzung für eine äußerst präzise Messung ist die große Energie, Schärfe und Stabilität des beschleunigten Teilchenstrahls, wie sie an MAMI erreicht wird.

Als Ergebnis der Mainzer Messung konnte die Bindungs­energie des Hyperons im sehr schweren Wasserstoff-Atomkern bestimmt werden. Sie ist etwa gleich groß wie die gesamte Bindungs­energie des Deuterium-Atomkerns. Für die Wissen­schaftler ganz besonders spannend ist die noch unbeant­wortete Frage, ob diese Bindungs­energie sich verändert, wenn das Hyperon statt in einen Wasserstoff-Atomkern in einen gleich schweren Helium-Atomkern eingebettet wird. Das würde dann bedeuten, dass die Anziehungs­kraft der Protonen und Neutronen auf das Hyperon im Atomkern unter­schiedlich – und die Symmetrie zwischen den Kern­bausteinen gebrochen wäre.

JGU / OD

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