06.08.2014

Maßgezüchtete Nanoröhrchen

Neue Methode beendet Problem der Strukturvielfalt und bedeutet wichtigen Schritt hin zu Nanoröhrchen mit Wunscheigenschaften.

So vielfältig die herausragenden Eigenschaften von Nanoröhrchen aus Kohlenstoff sind, so schwierig gestaltet sich das Sortieren der mehr als 100 bekannten Strukturen. Diese wichtige Hürde auf dem Weg als Werkstoff für elektronische Anwendungen könnte sich nun mit einer neuen Zuchtmethode schweizerischer Forscher überwinden lassen. Ihnen gelang es, sortenrein metallische Nanoröhrchen zu synthetisieren. Aufbauend auf diesen Ergebnissen könnte die Produktion von Nanoröhrchen mit den jeweils gewünschten Eigenschaften – metallisch leitend oder halbleitend mit spezifischer Bandlücke – in Zukunft Realität werden.

Abb.: Einwandige Nanoröhrchen in verschiedenen Wachstumsstadien unter dem Rastertunnelmikroskop (Bild: Empa / J. R. Sanchez Valencia)

Nach jahrelanger Forschung an einwandigen Kohlenstoffnanoröhrchen ist der Einfluss der geometrischen Struktur auf die elektronischen Eigenschaften bekannt. Schon kleinste Variationen im Aufbau sind so für Wechsel zwischen leitenden und halbleitenden Charakteristika verantwortlich. Juan Ramon Sanchez-Valencia und seine Kollegen vom Institut für Materialforschung Empa in Dübendorf entwickelten daher einen vielstufigen Prozess, über den sich eine einzige Röhrchenstruktur züchten ließ.

Die Wissenschaftler wählten Moleküle eines polyzyklischen, aromatischen Kohlenwasserstoff (C96H54). Diese verteilten sie im Vakuum auf eine hochreine Platin-(111)-Oberfläche. Unterstützt durch mehrmaliges Aufheizen verbanden sich die Moleküle mit der Oberfläche über eine katalytische Cyclohydrogenation (engl. surface-catalysed cyclodehydrogenation, CDH). Diese Moleküle dienten danach als Keimzellen für die zu züchtenden Nanoröhrchen. Wurden die so präparierten Platin-Substrate einer heißen Ethanol-Atmosphäre bei etwa 770 Kelvin ausgesetzt, wuchsen über das Andocken von Kohlenstoff-Ketten erst kleine Kohlenstoff-Kappen heran. Diese verlängerten sich während der Synthese zu einwandigen Nanoröhrchen mit bis zu 300 Nanometer Länge und Durchmessern unter zwei Nanometern.

Abb.: Nanoröhrchen aus Kohlenstoff mit identischer Struktur (Bild: Empa / U. Erlangen / K. Amsharov)

Um die Qualität ihrer Röhrchen beurteilen zu können, verfolgten Sachez-Valencia und Kollegen das Wachstum mit Hilfe der Raman-Spektroskopie. Zusätzlich untersuchten sie die entstandenen Röhrchen-Strukturen unter einem Rastertunnelmikroskop. Das Ergebnis: Auf der Platinfläche wuchsen ausschließlich metallisch leitende Nanoröhrchen senkrecht in die Höhe. Beide Verfahren bestätigten, dass ausschließlich (6,6)-Nanoröhrchen in Sessel-Struktur entstanden. Diese Röhrchen weisen nicht halbleitende, sondern metallisch leitende Eigenschaften auf.

Laut einem Kommentar von James M. Tour von der Rice University in Houston könne die Relevanz dieser Arbeit nicht hoch genug eingeschätzt werden. Er sieht in ihr einen herausragenden Durchbruch für die Synthese sortenreiner, einwandiger Nanoröhrchen aus Kohlenstoff. Dies sei der erste Schritt, um Nanoröhrchen mit Wunscheigenschaften zu züchten. Gelingt der Weg zur Massenproduktion, würde ein gutes Kilogramm „Saatgut“ aus organischen Molekülen ausreichen, um über fünf Tonnen bis zu zehn millionstel Meter lange Nanoröhrchen produzieren zu können.

Mit dieser Arbeit könnte man Nanoröhrchen für die elektronische Anwendung in Transistoren, Akkus oder Solarzellen gezielter synthetisieren. Gelingt die Optimierung der Zuchtmoleküle, wäre es vorstellbar, halbleitende Röhrchen mit vorher festgelegter Bandlücke zu züchten. Doch bis dahin sind noch viele weitere Forschungsarbeiten nötig. Für mehrwandige Röhrchen, die sich zu filigranen Fäden gebündelt als hochfeste und zugleich leichte Fasern nutzen ließen, spielt diese Methode allerdings kaum eine Rolle.

Jan Oliver Löfken

DE

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