Master nicht als ''Notausstieg''
Physik Journal - Die Konferenz der Fachbereiche Physik bekräftigt ihre Empfehlungen zu den neuen Studienabschlüssen.
Die Konferenz der Fachbereiche Physik bekräftigt ihre Empfehlungen zu den neuen Studienabschlüssen.
3+2 = 4+1. In Zeiten der Bologna-Reform birgt selbst solch eine einfache Gleichung Zündstoff. Dahinter steht die Frage, ob das Bachelor-Studium drei und die Master-Phase zwei Jahre dauern sollen oder ob es sinnvoller ist, die Gesamtstudiendauer auf vier plus ein Jahr aufzuteilen. Für das Physikstudium hat die Konferenz der Fachbereiche Physik (KFP) hierzu 2005 klar Stellung bezogen und sich für „3+2“ ausgesprochen. Nur diese Aufteilung, die alle Fachbereiche übernommen haben, ermöglicht eine einjährige Master-Arbeit und somit einen Master-Abschluss, der dem bisherigen Diplom äquivalent ist. Anfang Juni zeigte sich aber bei der Plenarversammlung der KFP im Physikzentrum Bad Honnef, dass inzwischen einzelne Universitätsleitungen oder Landesregierungen Druck dahingehend ausüben, in einer Reform der Reform auf das 4+1-Modell umzusteigen. Dies ginge auf Kosten des Masters, der – wie im angelsächsischen System üblich – zu einem „Notausstieg“ auf dem direkten Weg vom Bachelor zur Promotion degradiert würde. Die KFP hat daher in einer Resolution (s. unten) ihre Empfehlungen von 2005 bekräftigt. Entsprechend kritisch bewertet die KFP auch den fast track vom Bachelor zur Promotion, den einige Graduiertenschulen anbieten wollen. „In der Physik muss dieser Weg die große Ausnahme bleiben“, sagt Gerd Ulrich Nienhaus von der Universität Karlsruhe, den die KFP einstimmig wieder zu ihrem Sprecher gewählt hat. Dagegen spräche auch, dass der fast track aufgrund einer zusätzlichen, jedoch bereits zur Promotion zählenden Qualifizierungsphase überhaupt keinen Zeitgewinn bringe. Außerdem ermögliche laut öffentlichem Dienstrecht bislang ausschließlich der Master-Abschluss den Einstieg in den höheren Dienst. Demgegenüber betonte Anselm Fremmer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dass der fast track dem internationalen Standard entspreche und daher wichtig sein könnte, um internationalen wissenschaftlichen Nachwuchs, z. B. aus China oder Indien, zu rekrutieren.
Inzwischen zeichnet sich immer deutlicher ab, dass zentrale Ziele der Bologna-Reformen, nämlich in Europa Mobilität und Transparenz zu erreichen, bislang verfehlt wurden. Eine Studie, die die Europäische Physikalische Gesellschaft EPS unterstützt von 24 nationalen Gesellschaften derzeit durchführt, zeigt große Unterschiede zwischen Kontinentaleuropa und England/Irland einerseits sowie West- und Osteuropa andererseits. Wie EPS-Vizepräsident Friedrich Wagner in Bad Honnef erläuterte, beeilen sich die Länder mehr oder weniger bei der Umstellung und definieren z. B. „student workload“ oder „learning outcomes“ unterschiedlich. Aber auch in Deutschland nimmt durch die generelle Verschulung und den gestiegenen Noten- und Prüfungsdruck die Flexibilität ab. Dadurch studieren die angehenden Physiker zwar zielstrebiger, wie ein von der KFP eingeholtes Stimmungsbild zeigt, sie verbringen aber auch seltener ein Semester im Ausland. Gleichzeitig deutet aufgrund der eher gestiegenen Anforderungen nichts darauf hin, dass die Abbrecherquote zurückgeht. Vertreter der Fachbereiche beklagten in Bad Honnef, dass die Lernatmosphäre „dahin“ sei, und kritisierten die auf sechs Wochen angelegte Bachelor-Arbeit, die Ressourcen koste und nichts wert sei.
Ungeachtet der KFP-Resolution und nur drei Wochen nach der KFP-Versammlung gab derweil die Universität Tübingen bekannt, zum kommenden Wintersemester einen vierjährigen Bachelor-Studiengang in Physik einzuführen. Mit diesem Pilotstudiengang wolle die Fakultät für Mathematik und Physik der Kritik an der zu starken Verschulung der dreijährigen Bachelor-Studiengänge begegnen und eine individuelle fachliche Spezialisierung ermöglichen. Der Studiengang biete auch die Möglichkeit zu einem ein- oder zweisemestrigen Auslandsaufenthalt. In Anschluss daran bietet Tübingen künftig folgerichtig einen einsemestrigen Master-Studiengang an – damit scheint der „Notausstieg“ Master entgegen aller Resolutionen Realität zu werden. Damit sind lebhafte Diskussionen bei der nächsten KFP-Versammlung im Herbst vorprogrammiert. Die Bachelor/Master-Umstellung und die Reform der Reform wird die KFP sicher noch über Jahre beschäftigen.
Stefan Jorda
KFP-Resolution
Die Umstellung der Physik-Studiengänge in Deutschland auf das gestufte System von Bachelor- und Master-Abschlüssen ist nahezu vollständig erfolgt, und die ersten Absolventinnen und Absolventen haben die neuen Bachelor-Studiengänge erfolgreich durchlaufen. Die Konferenz der Fachbereiche Physik stellt aus diesem Anlass fest, dass sich die in ihren am 18. Mai 2005 beschlossenen „Empfehlungen zu Bachelor- und Master-Studiengängen in Physik“ getroffene Entscheidung für einen dreijährigen Bachelor- und einen zweijährigen Master-Studiengang bewährt hat. In dem durch die Bologna-Beschlüsse vorgegebenen Rahmen von insgesamt fünf Jahren für konsekutive, zum Master-Abschluss führende Studiengänge erreicht die dreijährige Bachelor-Ausbildung eine grundständige Berufsbefähigung bei breiter Allgemeinbildung in der Physik, das anschließende zweijährige Master-Studium die forschungsorientierte Ausbildung der Physikerinnen und Physiker auf höchstem internationalen Niveau.
Beschlossen von der Plenarversammlung der KFP am 3. Juni 2009 in Bad Honnef
Weitere Infos:
- Empfehlungen der KFP zu Bachelor- und Masterstudiengängen in der Physik
www.kfp-physik.de/dokument/Empfehlungen_Ba_Ma_Studium.pdf
AH/KP