Materialforschung verbessert Hüftimplantate
Hochauflösende Mikroskopie zeigen Entstehung eines Reliefs auf der Oberfläche der Titanlegierung.
Insgesamt 1,8 Millionen Hüftoperationen wurden 2015 in den Industrieländern durchgeführt. Aufgrund der höheren Lebenserwartung wird die Zahl der Hüftendoprothesen schätzungsweise auf 2,8 Millionen bis 2050 ansteigen. Ende des letzten Jahrtausends hielten künstliche Hüftprothesen nur etwa zehn Jahre. Seitdem haben sich Mediziner verstärkt mit Materialwissenschaftlern zusammengetan, um länger haltbare Implantate zu produzieren. Das Ziel: Revisionsoperationen nach der Implantation vermeiden. Die Forscher befassen sich unter anderem mit der Freisetzung von winzig kleinen Metallpartikeln und Ionen aus dem Implantat in das umgebende Gewebe, ein Prozess, der durch kombinierte Mikrobewegungen und Korrosion zwischen den modularen Teilen der künstlichen Hüfte beschleunigt wird.
Um die zugrundeliegenden Mechanismen auf atomarer Ebene zu identifizieren, analysierten Michael Herbig vom MPI für Eisenforschung und sein Team Kobalt- und Titanlegierungen, die in Hüftimplantaten verwendet werden. In Zusammenarbeit mit Alfons Fischer und Markus Wimmer vom Rush University Medical Center in den USA modellierten die Wissenschaftler die Belastungen und die Umgebung des Hüftgelenks experimentell im Labor.
Hüftimplantate bestehen oft aus einem kobalthaltigen Gelenkkopf, der auf einem Schaft aus einer Titanlegierung befestigt ist. Kombinierte Reibung und Korrosion an der Verbindungsstelle von Kopf und Schaft führen zur Freisetzung von Metallpartikeln und Ionen in den Körper des Patienten. Das umliegende Gewebe wird gereizt, was eine Revisionsoperation des Implantats erforderlich machen kann.
Mit Hilfe hochauflösender Mikroskopietechniken konnten die Forscher zeigen, dass die Reibung zwischen Oberschenkelkopf und -schaft zu einem Relief auf der Oberfläche der Titanlegierung führt. „Die Unebenheiten ragen aus der Oberflächen der Titanlegierung heraus und verkratzen die gegenüberliegende Oberfläche der Kobaltlegierung. Dadurch wird deren natürliche Schutzschicht verletzt und es kommt zur weiteren Korrosion des Kobaltkopfes. Und das wiederum führt zur Freisetzung von Metallionen“, erklärt Herbig. Aber wie kann dieser Prozess gehemmt werden und wie beeinflussen die in der Gelenkflüssigkeit vorhandenen Proteine die Auflösung der Legierungen? Die Beantwortung dieser Fragen wäre, so die Wissenschaftler, der nächste Schritt, um den Weg für die Entwicklung tribokorrosionsbeständiger Legierungen für medizinische Anwendungen zu ebnen.
MPIE / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
S. Balachandran et al.: Atomic scale origin of metal ion release from hip implant taper junctions, Adv. Sci. 7, 1903008 (2020); DOI: 10.1002/advs.201903008 - Materialwissenschaft der mechanischen Kontakte (M Herbig), Abt. Mikrostrukturphysik und Legierungsdesign, Max-Planck-Institut für Eisenforschung, Düsseldorf