02.10.2008

Materie unter extremen Bedingungen

Laborastrophysik als Schlüssel zum Verständnis kosmischer Materie



Die Entstehung von Sterne und Planeten ist ein heißes Forschungsthema. Leider sind bislang viele physikalische Prozesse, die dabei eine Rolle spielen, einer Untersuchung im Labor nicht zugänglich. Das könnte sich nun ändern: Amerikanischen Physikern ist es gelungen, mit einer auf der Streuung von Röntgenstrahlen basierenden Technik einen Blick in ein mit einem Laserpuls aufgeheiztes und komprimiertes Plasma zu werfen. Das Team berichtet in der aktuellen Ausgabe von "Science" über seine Arbeit, die auch für die Fusionsforschung von Bedeutung sein könnte.

"Wir haben im Labor Bedingungen erreicht, die für die Untersuchung der Physik der Planetenentstehung relevant sind", schreiben Andrea Kritcher und ihre Kollegen vom Lawrence Livermore National Laboratory. "Mit einer spektral aufgelösten Streuung von K-alpha-Röntgenstrahlen konnten wir experimentell die theoretischen Modelle für die Kompression und Aufheizung von Plasma durch Schockwellen bestätigen."

Wenn Physiker Materie unter extremen Bedingungen - also bei hoher Temperatur und hohem Druck - untersuchen wollen, ist die Aufheizung mit Schockwellen die Standardtechnik. Gegenwärtig führen verschiedene Forschergruppen derartige Experimente durch, um beispielsweise die Zustandsgleichung leichter Elemente zu bestimmen oder um zu untersuchen, welchen Einfluss Schockwellen auf den Zustand der Materie haben.

Bislang mussten sich derartige Experimente allerdings darauf beschränken, die Geschwindigkeiten der Teilchen und der Schockwellen zu messen. Kritcher und ihrem Team gelang es nun erstmals, auch die thermodynamischen Eigenschaften und die dynamische Struktur unter den extremen Bedingungen eines mit Schockwellen komprimierten und aufgeheizten Plasmas direkt zu messen.



Abb.: Künstlerische Darstellung einer protoplanetarischen Scheibe um einen entstehenden Stern. Das neue Verfahren von Kritcher et al. erlaubt es jetzt, die Prozesse bei der Entstehung von Sternen und Planeten auch im Labor zu untersuchen. (Quelle: NASA / JPL-Caltech)


Die Forscher richteten dazu einen 6 Nanosekunden langen Puls eines Laser mit einer Energie von 450 Joule auf eine 300 Mikrometer dicke Materialprobe aus Lithiumhydrid (LiH). Dieser Laserpuls führt zu einer Schockwelle, die die Materialprobe komprimiert und aufheizt. Um die dabei ablaufenden Prozesse zu beobachten, richteten Kritcher und ihre Kollegen einen Petawatt-Laser auf eine auf der anderen Seite der LiH-Schicht angebrachte Titanfolie. Ein 5 Pikosekunden langer Laserpuls erzeugte beim Aufprall auf die Titanfolie einen nun 10 Pikosekunden langen Röntgenpuls, der im LiH-Plasma gestreut wurde.

Durch eine Variation der zeitlichen Abstimmung zwischen den beiden Laserpulsen gelang es Kritcher und ihrem Team, den zeitlichen Ablauf der Kompression und der Aufheizung zu untersuchen und mit theoretischen Modellen zu vergleichen. Die Messungen der Forscher zeigen eine Spitzentemperatur von 25.000 Kelvin und einen Druck im Bereich von 300 bis 420 Gigapascal. Die Beobachtungen sind in weiten Bereichen in guter Übereinstimmungen mit der so genannten Sesame-EOS, einer standardisierten Berechnung der Zustandsgleichung durch das Los Alamos National Laboratory.

Durch die Anwendung von Petawatt-Lasern ist es nun also möglich geworden, extreme Materiezustände, wie sie bei der Entstehung von Sternen und Planeten herrschen, im Labor gezielt zu untersuchen. Kritcher und ihre Kollegen heben außerdem hervor, dass sich das Verfahren auch dazu eignet, die Zustände in Plasmen zu untersuchen, wie sie für eine kontrollierte thermonukleare Fusion von Deuterium und Tritium nötig sind - Bedingungen, die sogar noch extremer sind als die Zustände im Zentrum unserer Sonne.

Rainer Kayser



Weitere Infos:


Weitere Literatur:
  • "Temperature measurements and dissociation of shock-compressed liquid deuterium and hydrogen", N. C. Holmes, M. Ross und W. J. Nellis, Physical Review Letters B 52, 15835 (2008)
  • "Equation of State Measurements in Liquid Deuterium to 70 GPa", M. D. Knudson et al., Physical Review Letters 87, 225501 (2001)
  • "Organic Synthesis in Experimental Impact Shocks", C. P. McKay und William J. Borucki, Science 276, 390 (1997)


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