18.06.2009

Mechanischer Oszillator misst Qubit

Spektroskopie mit künstlichem Atom und schwingendem Nanobalken



Spektroskopie mit künstlichem Atom und schwingendem Nanobalken

Ob man ein makroskopisches Objekt in einen bestimmten Quantenzustand bringen kann, ist nach wie vor ein ungelöstes physikalisches Problem. Noch hat niemand einen Gegenstand gesehen, der sich wie Schrödingers lebendig-tote Katze in einem Überlagerungszustand befand oder der mit einem anderen Objekt quantenmechanisch verschränkt war. Doch Matt LaHaye und seine Kollegen am Caltech sind diesem Ziel einen großen Schritt näher gekommen. Sie haben ein quantenmechanisches Zweiniveausystem mit einem schwingenden Nanobalken gekoppelt. An den mechanischen Schwingungen des Balkens konnten sie ablesen, in welchem der beiden Quantenzustände sich das Atom gerade befand.



Abb.: Spektroskopie mit künstlichem Atom und Nanobalken: Die supraleitende Cooper-Paar-Box befindet sich links von dem an beiden Enden befestigten Balken. (Bild: Caltech)


Das künstliche Atom war ein supraleitender Schaltkreis, in dem zwei Josephson-Kontakte eine winzige supraleitende Insel, eine Cooper-Paar-Box, einschlossen. Die Elektronen im Schaltkreis vereinigten sich zu Cooper-Paaren, die ein supraleitendes Kondensat bildeten. Durch die Josephson-Kontakte konnten die Cooper-Paare tunneln und in die Box gelangen oder sie verlassen. Die Box war deshalb in einem Quantenzustand mit einer variablen Zahl von Cooper-Paaren. Durch zusätzliche Elektroden ließ sich das Potential der Box so regeln, dass sie nur entweder n oder n+1 Cooper-Paare enthielt, wobei der genaue Wert von n keine Rolle spielte. Der Quantenzustand der Box war eine Überlagerung der beiden Besetzungszustände |n> und |n+1>, deren Energien sich nur geringfügig unterschieden. Die Box wurde dadurch zu einem Zweiniveausystem oder einem künstlichen Atom.

Bei Abkühlung auf tiefe Temperaturen von etwa 100 mK befand das künstliche Atom in seinem Grundzustand |n>. Mit Mikrowellen abgestimmter Frequenz konnten die Forscher das Atom anregen, so dass es Rabi-Oszillationen zwischen dem Grundzustand und dem angeregten Zustand |n+1> machte. Auf diese Weise ließ sich das Atom in einen gewünschten Quantenzustand bringen, der einem Qubit entsprach. Um das Qubit auslesen zu können, koppelten die Forscher das künstliche Atom an einen nanomechanischen Resonator. Das war ein winziger Balken aus Siliziumnitrid, der an beiden Enden an dem Substrat befestigt war, auf dem sich auch der supraleitende Schaltkreis befand. Da zwischen Balken und Schaltkreis nur etwa 300 nm lagen, bestand zwischen beiden eine starke kapazitive Kopplung.

Diese Kopplung machte sich bemerkbar, als die Forscher den Balken an einen elektrischen Schaltkreis anschlossen, mit dem sie ihn zum Schwingen brachten und seine Resonanzfrequenz bestimmten. Wenn der Balken in Schwingung gebracht war, änderte sich periodisch die Kapazität zwischen Balken und künstlichem Atom. War das Atom im Grundzustand, so konnte es Ladungsenergie aufnehmen, die es dem schwingenden Balken entzog. Daraufhin nahm dessen Resonanzfrequenz, die bei 60 MHz lag, um einige kHz ab. Befand sich das Atom hingegen im angeregten Zustand, so konnte es Energie an den schwingenden Balken abgeben, dessen Resonanzfrequenz dann ein wenig zunahm. Um diese geringfügigen Frequenzänderungen präzise zu messen, haben die Forscher die Parameter des künstlichen Atoms mit elektrischen und magnetischen Feldern periodisch moduliert, wodurch ebenfalls die Resonanzfrequenz des Balkens verändert wurde. Alle Messungen waren im Einklang mit der Theorie, die die Forscher für das System aus Balken und Cooper-Paar-Box entwickelt hatten.

An der Resonanzfrequenz des Balkens ließ sich demnach ablesen, in welchem Quantenzustand das künstliche Atom war, welchen Wert also das supraleitende Qubit hatte. Diese Messung störte den Zustand des Atoms so geringfügig wie es nach den Gesetzen der Quantenphysik möglich ist. Sie brachte lediglich die Phasenbeziehung zwischen |n> und |n+1> durcheinander, beließ aber das Atom in seinem Grundzustand bzw. angeregten Zustand. Diese Methode der dispersiven Frequenzverschiebung setzt man auch in der Hohlraumquantenelektrodynamik ein. Hier liest man am Quantenzustand von Atomen, die durch einen Hohlraumresonator geflogen sind, die Zahl der Photonen im Hohlraum ab, ohne die Photonen zu absorbieren. Im Unterschied zu den Atomen, mit denen sich der Quantenzustand des Hohlraums beobachten lässt, ist der Nanobalken schon beinahe makroskopisch. Vielleicht gelingt es den Forschern schon bald, auch den Balken in einen bestimmten Quantenzustand zu bringen und damit die Grenzen der Quantenphysik noch etwas weiter auszuloten.

RAINER SCHARF




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