04.02.2010

Meeresalge nutzt Quantenkohärenz

Durch quantenmechanische Abstimmung in den Antennenmolekülen der Alge wird die Photosynthese effizienter.

Durch quantenmechanische Abstimmung in den Antennenmolekülen der Alge wird die Photosynthese effizienter.

Mit Hilfe der Photosynthese nutzen Algen, Pflanzen und manche Bakterien die Energie des Sonnenlichts dazu, Wasser in Sauerstoff, Elektronen und Protonen zu spalten. Durch die Zellmembran voneinander getrennt, werden die Elektronen und die Protonen anschließend zwischengespeichert. Ihre chemische Trennungsenergie steht dann der Zelle für die molekulare Synthese oder die Verrichtung von Arbeit zur Verfügung. Bei der Absorption, der Weitergabe und der Nutzung der Lichtenergie spielen Quanteneffekte in den einzelnen Molekülen natürlich eine wichtige Rolle. Doch jetzt haben Forscher der University of Toronto herausgefunden, dass sich Anregungen in den lichtabsorbierenden Pigmentmolekülen von Meeresalgen quantenmechanisch kohärent verhalten, auch wenn die Moleküle weit voneinander entfernt sind.

Abb.: Quantenkohärenz verbessert die Photosynthese: Im Antennenkomplex einer Meeresalge stimmen sich die lichtsammelnden Pigmente (DBV und MBV) über 2,5 nm hinweg quantenmechanisch ab. (Bild: Elisabetta Collini et al., Nature)

Jeweils acht Pigmentmoleküle sitzen in den Antennenkomplexen, mit denen die Meeresalge Rhodomonas CS24 das Sonnenlicht aufnimmt. Von hunderten dieser Pigmentantennen wird die Anregungsenergie in elektronischer Form zu einem Reaktionszentrum weitergeleitet, wo die eigentliche Photosynthese stattfindet. Für die Spaltung eines Wassermoleküls wird die Energie von vier elektronischen Anregungen benötigt. Da jedes Reaktionszentrum mit vielen Antennen verbunden ist, kann die Photosynthese auch bei sehr geringer Lichtintensität ablaufen. Zudem enthalten die Antennenkomplexe der Alge unterschiedlich gefärbte Pigmente, sodass die Photonenenergie aus einem großen Spektralbereich genutzt werden kann.

Die Ausbeute, mit der die Antennenkomplexe die Lichtenergie „ernten“, ist sehr hoch. Das wird u. a. dadurch erreicht, dass die Pigmentmoleküle optimal angeordnet sind. Einerseits liegen sie nahe beieinander, sodass die Anregungsenergie möglichst schnell zum Reaktionszentrum übertragen werden kann. Andererseits kommen sich die Pigmentmoleküle aber auch nicht so nahe, dass sich ihre Molekülorbitale überlappen könnten und dadurch ihre Absorptionsfähigkeit leiden würde. Nach den Regeln der klassischen Physik wäre damit die Energieübertragung optimiert. Doch die Quantenphysik erlaubt eine weitere Verbesserung, vorausgesetzt dass die elektronischen Anregungen der Pigmentmoleküle kohärent auftreten und weitergeleitet werden können.

Dass es bei der Photosynthese zu quantenmechanisch kohärentem Verhalten zwischen den Anregungen benachbarter Pigmentmoleküle kommen kann, hatten schon frühere Untersuchungen von Gregory Engel und seinen Mitarbeitern ergeben. Diese Experimente an Bakteriochlorophyll waren allerdings bei sehr tiefen Temperaturen unterhalb von 77 K durchgeführt worden, um die störende Wärmebewegung möglichst gering zu halten. Jetzt haben Forscher um Gregory Scholes von der University of Toronto nachgewiesen, dass kohärentes Verhalten auch bei Zimmertemperatur auftreten kann.

Die kanadischen Wissenschaftler haben isolierte Antennenkomplexe der schon erwähnten Meeresalge mit kurzen Laserpulsen von 25 fs Pulsdauer bestrahlt. Dadurch wurden die Pigmentmoleküle in eine quantenmechanische Überlagerung ihrer Eigenzustände gebracht. Nach einer variablen Wartezeit haben die Forscher die Moleküle mit einem weiteren Laserpuls zur Abgabe eines „Echos“ angeregt. Anhand der dabei emittierten Strahlung konnten sie verfolgen, wie sich die Anregung auf die Pigmentmoleküle verteilte. Es zeigte sich, dass die Anregung als Wellenpaket mehr als 400 fs lang zwischen den Pigmentmolekülen hin und her lief. Während dieser überraschend langen Zeit befanden sich die Moleküle miteinander in einem kohärenten Anregungszustand, obwohl sie einen relativ großen Abstand von 2,5 nm hatten und außerdem der störenden Wärmebewegung unterlagen.

Durch die kohärente Anregung der Pigmentmoleküle können die Antennenkomplexe gewissermaßen viele Möglichkeiten gleichzeitig austesten, wie sich die Anregungsenergie von den lichtsammelnden Pigmenten am effizientesten an das Reaktionszentrum weiterleiten lässt. Natürlich steht den Algen in freier Natur kein gepulstes Laserlicht zur Verfügung, doch auch für Sonnenlicht sollte die jetzt beobachtete Quantenkohärenz zwischen den Pigmenten die Photosynthese effizienter machen, wie weitere Experimente noch zeigen müssen. Es scheint, als wüsste die belebte Natur, auch subtile nichtlokale Quanteneffekte für ihre Zwecke zu nutzen.

RAINER SCHARF

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