01.11.2017

Mehr Energie durch Fusion schwerer Baryonen

Neuanordnung schwerer Quarks in exotischen Elementarteilchen mit positiver Energiebilanz.

Am Large Hadron Collider (LHC) am Forschungszentrum Cern gelang dieses Jahr erstmals der Nachweis eines Baryons aus einem Up- und zwei Charm-Quarks. Es hatte eine Masse von 3621 Mega­elektronen­volt, knapp das Vierfache eines Protons. Von dieser Entdeckung und der großen Bindungs­energie zwischen den beiden Charm-Quarks inspiriert, entwickelten nun zwei Elementar­teilchen­physiker das Konzept einer Art Quark-Fusion analog zur Fusion von zwei Wasserstoff­kernen zu einem Heliumkern. Ihre Berechnungen zeigten, dass je nach Masse der beteiligten Quarks die Energie­ausbeute aus solchen Fusions­prozessen zehnmal größer sein könnte als bei der herkömmlichen Kernfusion.

Abb.: Prinzip einer Fusion von Baryonen aus besonders schweren Quarks. Diese Prozesse könnten theoretisch bis zu zehnmal mehr Energie liefern als die Fusion von Wasserstoff- zu Heliumkernen. (Bild: M. Karliner & J. L. Rosner)

Marek Karliner von der Tel Aviv University und sein Kollege Jonathan L. Rosner von der University of Chicago berechneten die Energiebilanz von Fusions­prozessen, in denen Baryonen einzelne Quarks untereinander austauschen und neue, noch schwerere Baryonen bilden. „Prinzipiell ist es möglich, aus der Neuanordnung von Quarks in einem Fusions­prozess Energie zu gewinnen“, sagt Karliner. Denn die entstandenen Baryonen mit starken Bindungs­energien weisen nach dem Fusions­prozess eine etwas verringerte Masse auf. Je größer diese Massen­differenz ist, desto mehr Energie kann freigesetzt werden. Diese Fusion läuft prinzipiell analog zur Verschmelzung von Wasserstoff- zu Helium­kernen ab, bei denen die enthaltenen Protonen und Neutronen untereinander ausgetauscht werden und sich neu anordnen.

Im Detail analysierten Karliner und Rosner einen bisher rein theoretischen Fusions­prozess aus zwei Baryonen mit jeweils einem Up-, Down- und Charm-Quark. Dabei könnte nach einer Umordnung der Quarks ein schweres Baryon aus zwei Charm-Quarks und einem Up-Quark sowie ein Neutron aus zwei Down-Quarks und einem Up-Quark entstehen. Die Bindungs­energie zwischen den beiden Charm-Quarks bezifferten die Forscher mit 129 Mega­elektronen­volt (MeV). Diese Fusion setzt rechnerisch eine Energie von zwölf MeV frei, etwa genauso viel wie bei der Verschmelzung von zwei Wasserstoff­kernen. Die Fusion von einem Gramm schwerem Wasserstoff einer Deuterium-Tritium-Mischung kann eine thermische Energie liefern, die der Verbrennung von 12,3 Tonnen Steinkohle entspricht.

Danach gingen die beiden Forscher noch einen Schritt weiter und betrachteten einen Fusions­prozess von Baryonen, die anstelle von Charm-Quarks die noch deutlich schwereren Bottom-Quarks enthielten. Die analog ablaufende Verschmelzung zu einem Neutron und einem Baryon aus zwei Bottom-Quarks und einem Up-Quarks lieferte in der Berechnung wegen der noch größeren Bindungs­energie zwischen den Bottom-Quarks von 281 MeV und einer größeren Abnahme der Masse sogar 138 MeV Energie. Das ist mehr als das Zehnfache der herkömmlichen, in Fusions­reaktoren wie dem in Bau befindlichen ITER in Südfrankreich angestrebten Wasserstoff­fusion.

Ob diese gewaltige Energiemenge jemals gewonnen werden kann, ist aus heutiger Sicht aber eher unwahrscheinlich, wenn auch physikalisch prinzipiell möglich. Die extrem kurze Lebenszeit der schweren Baryonen von etwa 10-10 Sekunden wäre kein Hindernis­grund, da die Fusions­prozesse und die Neuanordnung von Quarks auf einer 100 milliardenfach kürzeren Zeitskala ablaufen. Allerdings benötigte man für einen noch fiktiven Quark-Fusions­reaktor zusätzlich große Teilchen­beschleuniger, um die schweren Baryonen, also den Brennstoff für die Fusion auf dem Quark-Level, erst zu erzeugen.

Für die Teilchenphysik gibt diese theoretische Studie dennoch neue Impulse, da nun mit Beschleuniger-Experimenten nach bisher unentdeckten schweren Baryonen mit zwei Bottom-Quarks gesucht werden könnte. Auch die Existenz von Teilchen aus insgesamt vier Quarks schließen Karliner und Rosner mit ihrer Studie nicht mehr aus. Solche Tetraquarks könnten aus zwei schweren Bottom-Quarks und je einem Up- und Down-Antiquark bestehen. Eine Tetraquark-Fusion könnte sogar noch größere Energien in der Größen­ordnung von 200 MeV freisetzen.

Jan Oliver Löfken

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