01.10.2020

Mehr Stabilität für magnetische Knoten

Ein neuer Mechanismus zur Stabilisierung von Skyrmionen.

Skyrmionen sind viel­ver­sprechend für neu­artige elektronische Bauelemente oder magnetische Daten­speicher. Grund­legende Voraus­setzung für jede Anwendung ist die Stabilität der magnetischen Wirbel. Ein Forschungs­team der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat jetzt gezeigt, dass bislang vernach­lässigte magnetische Wechsel­wirkungen eine entscheidende Rolle dabei spielen und Skyrmionen wesentlich lang­lebiger machen können. Die Studie eröffnet auch die Perspektive, Skyrmionen in neuen Material­systemen zu stabili­sieren, in denen die herkömm­lichen Mechanismen dafür nicht ausreichen.

Abb.: Illustration der Austausch­wechsel­wirkungen höherer Ordnung auf einem...
Abb.: Illustration der Austausch­wechsel­wirkungen höherer Ordnung auf einem hexa­gonalen atomaren Gitter. Die farbigen Pfeile zeigen das Hüpfen der Elektronen zwischen zwei (grün), drei (blau) und vier (rot) Atomen. (Bild: S. Paul, CAU)

Ihre spezielle magnetische Struktur – ihre Topologie – verleiht Skyrmionen ihre Stabilität und schützt sie vor dem Zerfall, sie werden auch als „Knoten“ in der Magneti­sierung bezeichnet. Auf dem atomaren Gitter eines Fest­körpers ist dieser topo­lo­gische Schutz jedoch begrenzt, es existiert lediglich eine gewisse Energie­barriere. „Je größer die Energie­barriere ist, desto höher ist die Temperatur, bei der Skyrmionen noch stabil sind“, erklärt Stefan Heinze von der Uni Kiel. Insbesondere Skyrmionen mit Durch­messern kleiner als zehn Nano­metern, die für zukünftige spin­elektro­nische Bauelemente benötigt werden, wurden bislang nur bei sehr tiefen Temperaturen nach­gewiesen. Da Anwendungen typischer­weise bei Raum­temperatur funktio­nieren sollen, wird aktuell intensiv an der Erhöhung der Energie­barriere geforscht.

Bislang gab es ein Standard­modell für die dafür relevanten magnetischen Wechsel­wirkungen in Materialien. Wie Heinze und sein Team zeigen, wurde dabei eine Art von Wechsel­wirkungen über­sehen. In den 1920er Jahren hat Werner Heisen­berg das Auftreten des Ferro­magnetismus über die Austausch­wechsel­wirkung erklärt, die durch das spin­abhängige Hüpfen der Elektronen zwischen zwei Atomen zustande kommt. „Wenn man berück­sichtigt, dass die Elektronen auch über mehr als zwei Atome hüpfen können, kommt es zu Austausch­wechsel­wirkungen höherer Ordnung“, so Team-Mitglied Souvik Paul. Diese sind jedoch viel schwächer als der von Heisen­berg gefundene paarweise Austausch und wurden daher im Hinblick auf Skyrmionen bisher vernach­lässigt.

Mit atomistischen Simulationen und quanten­mechanischen Rechnungen, die auf den Super­computern des Nord­deutschen Verbundes für Hoch- und Höchst­leistungs­rechnen durch­ge­führt worden sind, konnten die Forscher erklären, warum diese schwachen Austausch­wechsel­wirkungen dennoch einen über­raschend großen Beitrag zur Stabilität von Skyrmionen leisten können. Insbesondere das zyklische Hüpfen über vier Atom­positionen erhöht die Energie des Übergangs­zustands, bei dem nur noch wenige atomare Stabmagnete gegen­ein­ander verkippt sind, außer­ge­wöhnlich stark. In den Simulationen wurden sogar stabile Anti­skyrmionen gefunden, die für einige zukünftige Daten­speicher­konzepte vorteil­haft wären, aber normaler­weise keine ausreichend langen Lebens­zeiten besitzen.

Die untersuchten Austausch­wechsel­wirkungen höherer Ordnung treten in vielen magnetischen Materialien wie Kobalt oder Eisen auf, die für potenzielle Anwendungen von Skyrmionen interessant sind. Außerdem können sie Skyrmionen in Materialien stabilisieren, in denen die bislang betrachteten magnetischen Wechsel­wirkungen nicht auftreten oder zu schwach sind. Dadurch eröffnen sich neue viel­ver­sprechende Wege für die Forschung an diesen magnetischen Knoten.

CAU / RK

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