Mehr Stabilität für magnetische Knoten
Ein neuer Mechanismus zur Stabilisierung von Skyrmionen.
Skyrmionen sind vielversprechend für neuartige elektronische Bauelemente oder magnetische Datenspeicher. Grundlegende Voraussetzung für jede Anwendung ist die Stabilität der magnetischen Wirbel. Ein Forschungsteam der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat jetzt gezeigt, dass bislang vernachlässigte magnetische Wechselwirkungen eine entscheidende Rolle dabei spielen und Skyrmionen wesentlich langlebiger machen können. Die Studie eröffnet auch die Perspektive, Skyrmionen in neuen Materialsystemen zu stabilisieren, in denen die herkömmlichen Mechanismen dafür nicht ausreichen.
Ihre spezielle magnetische Struktur – ihre Topologie – verleiht Skyrmionen ihre Stabilität und schützt sie vor dem Zerfall, sie werden auch als „Knoten“ in der Magnetisierung bezeichnet. Auf dem atomaren Gitter eines Festkörpers ist dieser topologische Schutz jedoch begrenzt, es existiert lediglich eine gewisse Energiebarriere. „Je größer die Energiebarriere ist, desto höher ist die Temperatur, bei der Skyrmionen noch stabil sind“, erklärt Stefan Heinze von der Uni Kiel. Insbesondere Skyrmionen mit Durchmessern kleiner als zehn Nanometern, die für zukünftige spinelektronische Bauelemente benötigt werden, wurden bislang nur bei sehr tiefen Temperaturen nachgewiesen. Da Anwendungen typischerweise bei Raumtemperatur funktionieren sollen, wird aktuell intensiv an der Erhöhung der Energiebarriere geforscht.
Bislang gab es ein Standardmodell für die dafür relevanten magnetischen Wechselwirkungen in Materialien. Wie Heinze und sein Team zeigen, wurde dabei eine Art von Wechselwirkungen übersehen. In den 1920er Jahren hat Werner Heisenberg das Auftreten des Ferromagnetismus über die Austauschwechselwirkung erklärt, die durch das spinabhängige Hüpfen der Elektronen zwischen zwei Atomen zustande kommt. „Wenn man berücksichtigt, dass die Elektronen auch über mehr als zwei Atome hüpfen können, kommt es zu Austauschwechselwirkungen höherer Ordnung“, so Team-Mitglied Souvik Paul. Diese sind jedoch viel schwächer als der von Heisenberg gefundene paarweise Austausch und wurden daher im Hinblick auf Skyrmionen bisher vernachlässigt.
Mit atomistischen Simulationen und quantenmechanischen Rechnungen, die auf den Supercomputern des Norddeutschen Verbundes für Hoch- und Höchstleistungsrechnen durchgeführt worden sind, konnten die Forscher erklären, warum diese schwachen Austauschwechselwirkungen dennoch einen überraschend großen Beitrag zur Stabilität von Skyrmionen leisten können. Insbesondere das zyklische Hüpfen über vier Atompositionen erhöht die Energie des Übergangszustands, bei dem nur noch wenige atomare Stabmagnete gegeneinander verkippt sind, außergewöhnlich stark. In den Simulationen wurden sogar stabile Antiskyrmionen gefunden, die für einige zukünftige Datenspeicherkonzepte vorteilhaft wären, aber normalerweise keine ausreichend langen Lebenszeiten besitzen.
Die untersuchten Austauschwechselwirkungen höherer Ordnung treten in vielen magnetischen Materialien wie Kobalt oder Eisen auf, die für potenzielle Anwendungen von Skyrmionen interessant sind. Außerdem können sie Skyrmionen in Materialien stabilisieren, in denen die bislang betrachteten magnetischen Wechselwirkungen nicht auftreten oder zu schwach sind. Dadurch eröffnen sich neue vielversprechende Wege für die Forschung an diesen magnetischen Knoten.
CAU / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
S. Paul et al.: Role of higher-order exchange interactions for skyrmion stability, Nat. Commun. 11, 4756 (2020); DOI: 10.1038/s41467-020-18473-x - Spintronics Theory Group (S. Heinze), Institut für theoretische Physik und Astrophysik, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel