24.11.2021 • Energie

Mehr Strom aus Abwärme

Überraschend großer thermoelektrischer Effekt in einem Antiferromagneten.

Eine Arbeitsgruppe am Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe konnte zeigen, dass Antiferro­magnete die gleiche Größenordnung des anomalen Nernst-Effekts haben können wie herkömmliche Ferromagnete, jedoch ohne die magnetischen Streufelder, die in Mikro­strukturen umgebende Bauelemente beein­trächtigen können. Das entdeckte neuartige Rezept für die Erzeugung großer Nernst-Spannungen belegt, dass es wahrscheinlich keine grund­sätzliche physikalische Grenze für hohe Effizienzen gibt. Dies eröffnet eine neue Forschungs­richtung für die Entwicklung hoch­effizienter thermo­elektrischer Geräte auf Basis topo­logischer Antiferro­magnete. 

Abb.: Schematische Darstellung eines thermo­elektrischen Moduls, das auf dem...
Abb.: Schematische Darstellung eines thermo­elektrischen Moduls, das auf dem Seebeck-Effekt beruht. (Bild: MPI-CPFS)

Um Elektronen in eine Bewegung senkrecht zum Wärmestrom zu zwingen, ist ein äußeres Magnetfeld erfor­derlich – dies wird als der Nernst-Effekt bezeichnet. In einem permanent magnetisierten Ferro­magneten existiert ein anomaler Nernst-Effekt (ANE), mit dem aus Wärme Strom erzeugt werden kann. Diesen anomalen Nernst-Effekt beobachtet man normalerweise in allen Ferro­magneten, er skaliert mit dem magnetischen Moment im Material. In einem Antiferro­magneten ist das Gesamtmoment Null, da zwei sich kompen­sierende Magnete im Material vorliegen. Ein solches Material sollte daher auch keinen ANE aufweisen. 

Mittlerweile hat die Festkörper­forschung gelernt, dass man das neue Konzept der Topologie anwenden kann, um große Nernst-Effekte zu erreichen. Es ist bekannt, dass die als Berry-Phase bekannte Größe mit dem ANE zusammenhängt und diesen stark erhöhen kann. Allerdings sind Antiferro­magnete, die keine Netto­magnetisierung aufweisen, noch weitgehend unerforscht, auch weil man keinen ANE vermutete. Überraschender­weise fand das Forschungsteam einen großen anomalen Nernst-Effekt in dem Antiferro­magneten YbMnBi2. Dieser ANE ist größer als in nahezu allen Ferro­magneten. Ursache ist hier die Topologie, die hohe Spin-Bahn-Kopplung und die komplexe, nicht vollständig kompensierte magnetische Struktur. Die verkantete Spin­struktur in YbMnBi2 bricht die Zeitumkehr­symmetrie und sorgt für eine Berry-Krümmung ungleich Null. Gleichzeitig trägt die große Spin-Bahn-Kopplung des schweren Elements Bismut dazu bei, einen großen extrinsischen Beitrag zu erzeugen. 

Auf der Grundlage dieses Konzepts würde eine bestimmte Klasse von Antiferro­magneten mit einer nicht-kollinearen Spinstruktur und mit großer Spin-Bahn-Kopplung einen großen anomalen Nernst-Effekt aufweisen. YbMnBi2 erfüllt diese Bedingung und weist tatsächlich eine große anomale Nernst-Spannung von sechs Mikrovolt pro Kelvin auf, einen Rekordwert bei Antiferro­magneten, der genauso hoch ist wie die Werte, die für die besten Ferromagneten beobachtet wurden. Für praktische Anwendungen könnte man einen einfachen Energie­konverter entwickeln: ein trans­versales thermo­elektrisches Gerät, bei dem die Spannung senkrecht zum Wärmefluss erzeugt wird. Im Gegensatz zu kommerziell verfügbaren thermo­elektrischen Generatoren, die auf dem Seebeck-Effekt basieren und aus kleinen Blöcken von n- und p-Halbleiter­materialien aufgebaut sind, wäre ein solches Gerät viel einfacher aufgebaut. Es besteht nur aus einem einzigen Block.

Im Gegensatz zu Ferro­magneten, die oft unter einer geringen Ladungsträger­mobilität leiden, können Antiferro­magnete auch höhere Mobilitäten aufweisen und zeigen daher eine bessere elektrische Leit­fähigkeit. Zusammen mit einer niedrigen Wärmeleit­fähigkeit wird in YbMnBi2 eine anomale thermo­elektrische Gütezahl (zT) erreicht, die um eine Größenordnung höher ist als die aller bekannten Ferro­magneten. „Obwohl der anomale Nernst-Effekt über­raschend groß und der zT-Wert viel höher als bei Ferromagneten ist, muss die thermo­elektrische Gesamt­leistung für praktische Anwendungen noch verbessert werden“, sagt Yu Pan, Gruppenleiterin in der Abteilung Festkörper­chemie. „Dennoch zeigt diese Studie das große Potenzial von Antiferro­magneten für thermo­elektrische Anwendungen, da sie eine viel bessere Leistung als Ferromagnete aufweisen. Wir glauben, dass unsere Arbeit einen Anfang für die Entdeckung weiterer interessanter thermo­elektrischer Materialien in der Zukunft darstellt.“

MPI CPfS / JOL

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