19.10.2023

Meilenstein: Miniatur-Teilchenbeschleuniger funktioniert

Forschungsteam gelingt es erstmals, Elektronen in einer Nanometer kleinen Struktur zu beschleunigen.

Teilchenbeschleuniger sind in vielen Bereichen der Industrie, Forschung und Medizin unverzichtbare Werkzeuge. Der Platzbedarf dieser Maschinen reicht von wenigen Quadratmeterräumen bis hin zu großen Forschungszentren. Der Einsatz von Lasern zur Beschleunigung von Elektronen innerhalb einer photonischen Nanostruktur stellt eine mikroskopische Alternative dar, die das Potenzial hat, die Kosten erheblich zu senken und die Geräte wesentlich weniger sperrig zu machen. Bisher konnte noch kein wesentlicher Energiegewinn nachgewiesen werden. Mit anderen Worten: Es konnte nicht nachgewiesen werden, dass die Geschwindigkeit der Elektronen tatsächlich erheblich zugenommen hat. Einem Team von Laserphysikern der Uni Erlangen-Nürnberg ist es jetzt gelungen, den ersten nanophotonischen Elektronenbeschleuniger zu demonstrieren – zeitgleich mit Kollegen der Stanford University.

Abb.: Einem Forschungsteam ist es erstmals gelungen, Elektronen in Strukturen,...
Abb.: Einem Forschungsteam ist es erstmals gelungen, Elektronen in Strukturen, die nur wenige Nanometer groß sind, messbar zu beschleunigen. Im Bild ist der Mikrochip mit den Strukturen zu sehen und im Vergleich dazu eine 1-Cent-Münze.
Quelle: J. Litzel, FAU

Bei „Teilchenbeschleuniger“ denken die meisten wahrscheinlich an den Large Hadron Collider in Genf, den rund 27 Kilometer langen ringförmigen Tunnel, den Forscher aus aller Welt zur Erforschung unbekannter Elementarteilchen nutzen. Solche riesigen Teilchenbeschleuniger sind jedoch die Ausnahme. Uns begegnen sie im Alltag eher an anderen Stellen, zum Beispiel bei medizinischen Bildgebungsverfahren oder bei der Strahlenbehandlung von Tumoren. Aber selbst dann sind diese Geräte mehrere Meter groß und immer noch recht sperrig – und ihre Leistung ist verbesserungswürdig. Um die bestehenden Geräte zu verbessern und zu verkleinern, arbeiten Physiker rund um den Globus an dielektrischen Laserbeschleunigern, die auch als nanophotonische Beschleuniger bezeichnet werden. Die verwendeten Strukturen sind nur 0,5 Millimeter lang, und der Kanal, durch den die Elektronen beschleunigt werden, ist nur etwa 225 Nanometer breit, so dass diese Beschleuniger so klein wie ein Computerchip sind.

Die Teilchen werden durch ultrakurze Laserpulse beschleunigt, welche die Nanostrukturen beleuchten. „Die Traumanwendung wäre, einen Teilchenbeschleuniger auf einem Endoskop zu platzieren, um eine Strahlentherapie direkt an der betroffenen Stelle im Körper durchführen zu können“, erklärt Tomáš Chlouba, einer der Forscher. Dieser Traum mag für das Team unter der Leitung von Peter Hommelhoff noch in weiter Ferne liegen, doch mit der Demonstration des nanophotonischen Elektronenbeschleunigers ist ihnen nun ein entscheidender Schritt in die richtige Richtung gelungen. „Zum ersten Mal können wir wirklich von einem Teilchenbeschleuniger auf einem Chip sprechen“, schwärmt Team-Mitglied Roy Shiloh.

Vor etwas mehr als zwei Jahren erzielte das Team den ersten großen Durchbruch: Es gelang ihnen, die Methode der alternierenden Phasenfokussierung aus den Anfängen der Beschleunigungstheorie zu nutzen, um den Strom der Elektronen in einem Vakuumkanal über lange Strecken zu steuern. Das war der erste große Schritt auf dem Weg zum Bau eines Teilchenbeschleunigers. Nun musste nur noch die Beschleunigung erfolgen, um große Energiemengen zu gewinnen. „Mit dieser Technik ist es uns nun gelungen, Elektronen in diesen nanofabrizierten Strukturen auf einer Länge von einem halben Millimeter nicht nur zu leiten, sondern auch zu beschleunigen“, erklärt Team-Mitglied Stefanie Kraus.

Was für viele vielleicht nicht nach einer großen Leistung klingt, ist für die Beschleunigerphysik ein großer Erfolg. „Wir haben eine Energie von zwölf Kiloelektronenvolt erzielt. Das ist ein Energiegewinn von 43 Prozent“, erklärt Team-Mitglied Leon Brückner. Um die Teilchen über so große Distanzen – vom Nanomaßstab aus gesehen – zu beschleunigen, kombinierten die Physiker die APF-Methode mit speziell entwickelten säulenförmigen geometrischen Strukturen.

Diese Demonstration ist jedoch erst der Anfang. Ziel ist es nun, den Energie- und Elektronenstromgewinn so weit zu steigern, dass der Teilchenbeschleuniger auf einem Chip für Anwendungen in der Medizin ausreicht. Dazu müsste der Energiegewinn um etwa den Faktor 100 gesteigert werden. „Um höhere Elektronenströme bei höheren Energien am Ausgang der Struktur zu erreichen, müssen wir die Strukturen erweitern oder mehrere Kanäle nebeneinander legen“, erläutert Chlouba die nächsten Schritte der Laserphysiker.

Was dem Laserphysikteam an der Uni Erlangen-Nürnberg gelang, demonstrierten fast zeitgleich auch Kollegen der Stanford University in den USA: Ihre Ergebnisse werden derzeit zwar noch geprüft, können aber bereits eingesehen werden. Die beiden Teams arbeiten in einem von der Gordon and Betty Moore Foundation geförderten Projekt gemeinsam an der Realisierung des „Beschleunigers auf einem Chip“.

FAU / RK


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