09.02.2022

Mensch-Maschine-Interaktion alltagstauglich gemacht

Forschungsallianz 3Dsensation hat mehrere wichtige Innovationen hervorgebracht.

Die Interaktion zwischen Mensch und Maschine mithilfe innovativer 3D-Technologien effizienter und sicherer zu gestalten – das war das Ziel der Forschungs­allianz „3Dsensation“. Nach acht Jahren endet nun das vom Bundes­ministerium für Forschung und Bildung (BMBF) mit 45 Millionen Euro geförderte Verbund­projekt. Zusammen blicken die Partner aus Forschung, Industrie und Wirtschaft auf wegweisende Entwicklungen innerhalb des Verbunds zurück – etwa zur Gesundheits­überwachung von Neugeborenen, zur fälschungs­sicheren Personen­identifikation oder zum Waren­management im Einzelhandel.

 

Abb.: Die berührungslose und damit hygienisch unbedenkliche Erfassung des...
Abb.: Die berührungslose und damit hygienisch unbedenkliche Erfassung des Finger­abdrucks – das macht „3D4F“ möglich. (Bild: Jenetric)

Maschinen sind uns als Partner im Alltag schon längst unersetzlich geworden. Nicht nur in großen Produktionshallen oder komplexen industriellen Fertigungs­prozessen greifen menschliche und maschinell-gestützte Prozesse eng ineinander. Auch im Privaten nehmen Assistenz­systeme für unsere Sicherheit und unseren Komfort eine zunehmend große Rolle ein. 3D-Technologien sind dabei eine wesentliche Grundlage, um eine Interaktion zwischen Maschinen und ihrer Umwelt überhaupt zu ermöglichen.

Vor diesem Hintergrund widmete sich die Forschungsallianz „3Dsensation“ seit 2013 der Herausforderung, Innovationen für eine künftig noch sicherere und effizientere Interaktion zwischen Menschen, Maschinen und Robotern zu entwickeln. Koordiniert wurde die Allianz am Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF. In enger Kooperation mit zeitweilig bis zu 81 Kooperationspartnern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Industrie wurden während der Laufzeit von acht Jahren 77 Forschungs­vorhaben mit über 200 Teilprojekten im Verbund umgesetzt.

„Das Ziel unserer Forschungsallianz war es, Stärken von Mensch und Maschine zu kombinieren“, resümiert Andreas Tünnermann, Leiter des Fraunhofer IOF sowie Vorsitzender des Lenkungs­kreises. „Das heißt: Flexibilität und Kreativität auf der einen und Innovation und Kraft auf der anderen Seite. Ausgehend von einer konkreten technologischen Herausforderung haben wir uns als Allianz zusammen mit unseren Partnern dabei zu einem Konsortium entwickelt, das extrem anwendungsorientiert und forschungs­feld­übergreifend gearbeitet und damit letztendlich gesellschaftlich relevante Fragestellungen adressiert hat“, so Tünnermann weiter. „Speziell durch die Corona-Pandemie haben die, von uns bereits seit 2013 erforschten, Technologien eine besondere Konjunktur erlebt – etwa die kontaktlose Erfassung biometrischer Daten. Aber auch darüber hinaus hat 3Dsensation Innovationen hervorgebracht, von denen ich überzeugt bin, dass sie sich erfolgreich am Markt etablieren werden. Auf diese Weise kann das im Verbund erarbeitete Wissen wertschöpfend für Gesellschaft, Industrie und Wirtschaft wirken.“

Besonderen Leuchtturm-Charakter für die Zukunft der Mensch-Maschine-Interaktion besitzen dabei drei Verbundprojekte, die aus 3Dsensation hervorgegangen sind. So ist der Start ins Leben nicht immer einfach. Selbst wenn bei der Geburt eines Kindes noch alles in bester Ordnung scheint, so kann sich der Gesundheitszustand schon kurz darauf rapide ändern. Insbesondere Frühgeborene bedürfen einer intensiven Beobachtung, um plötzlich auftretenden Komplikationen rechtzeitig begegnen zu können. Kontakt­basierte Messgeräte zur Aufzeichnung von Vitalzeichen sind dabei für die kleinen Patienten nicht nur unangenehm – sie erlauben auch keine lückenlose Überwachung, etwa bei Transportvorgängen im Krankenhaus oder bei bestimmten Diagnosemethoden.

Genau diese Versorgungslücke will „NeoVital“ schließen: In einem interdisziplinären Verbundprojekt wurde ein kontaktloser und multispektraler 3D-Sensor entwickelt. Er erlaubt die Erfassung der Vitalparameter von Neu- und Frühgeborenen in Echtzeit. „Zu diesem Zweck haben wir bereits bestehende optische Komponenten zur multispektralen 3D-Erfassung auf die Anforderungen einer klinischen Umgebung hin angepasst“, erläutert Jan Sperrhake, leitender Forscher im Projekt. Verbaut ist der Sensor in einem kugelförmigen Gerät, das in direkter Nähe zum Säugling etwa am Babybett oder an einem Behandlungstisch angebracht wird. „Dadurch wird eine ständige Überwachung des Kindes in der bestehenden klinischen Infrastruktur ermöglicht“, so Sperrhake weiter. Ein Demonstrator wurde während einer Pilotstudie bereits fest in der Kinderklinik des Universitätsklinikums Jena installiert und kam dort im laufenden Betrieb zum Einsatz. Aktuelle Studien­ergebnisse unterstreichen die Präzision der Messungen.

Überdies zeigt das Projekt NeoVital, dass im Rahmen von 3Dsensation nicht nur innovative Forschungsideen, sondern auch konkretes unternehmerisches Handeln gefördert wurde: Aus dem Projekt ist das Jenaer Start-up „Xsight Optics“ hervorgegangen. „Das in unserem Unternehmen entwickelte System zur kontaktlosen Gesundheits­parameter­messung soll den Prozess der komplexen und aufwendigen Routine-Pflege-Dokumentation optimieren und die Pflegequalität erhöhen“, erklärt Maria Nisser, ehemalige Mitarbeiterin am Universitäts­klinikum Jena und heute COO des Jungunternehmens.

„Zeig mir deinen Finger und ich sag dir, wer du bist“: Fingerabdrücke sind eine zunehmend populäre Methode, um Personen eindeutig zu identifizieren. Die sensorische Erfassung über die Berührung eines Scanners ist jedoch mit der Gefahr verbunden, Viren und Bakterien zu übertragen – insbesondere dann, wenn der Scanner an Einrichtungen mit großem Durchgangs­verkehr, wie etwa Flughäfen oder Einwohner­meldeämtern, zum Einsatz kommt. Nicht erst seit der Corona-Pandemie sind daher Alternativen gefragt, die die hygienisch unbedenkliche Erfassung von Fingerabdrücken für große Menschenmengen erlauben.

Hier schließt der Sensor „3D4F“ an. Es handelt sich dabei um einen Vier-Finger-Scanner auf Basis berührungsloser 3D-Erfassungs­technologien. Ganz ohne Kontakt erfüllt er erstmals die weltweit anerkannten Sicherheits­standards des FBI. Dies gelingt, indem eine hochauflösende Kamera mit einer eigens für den Sensor entwickelten Objektiv-Projektor-Kombination kombiniert wird. Auf diese Weise können die nötige Auflösung und Bildqualität des Scans gewährleisten werden, die es braucht, um mit dem FBI-Standard konform zu bleiben. Eine weitere Besonderheit: Durch speziell entwickelte Algorithmen wird die per 3D-Scan erfasste Abbildung der Hand in ein 2D-Bild umgewandelt. Auf diese Weise kann eine Schnittstelle zum Abgleich mit bereits heute existierenden Datenbanken geschaffen werden.

Um diese Lösung für verschiedenste Szenarien anwendbar zu machen, hat die JENETRIC GmbH aus Jena zusammen mit ihren Partnern ein ausgefeiltes und patentiertes Interaktions­konzept entwickelt. Dieses erlaubt es jeder Person, unabhängig von der individuellen Erfahrung mit Biometrie, intuitiv mit dem System zu arbeiten.

Die Inventur im Einzelhandel ist eine notwendige, zugleich aber ressourcen­intensive Aufgabe. Mitarbeiter müssen dafür nicht nur wertvolle Arbeitszeit investieren – zum Teil müssen Geschäfte sogar vollständig geschlossen werden, um die Erfassung des Warenbestandes durchführen zu können. Hier bietet der Serviceroboter „TORY“ künftig eine Alternative: Der Roboter fährt selbstständig durch die Verkaufs­flächen, digitalisiert dabei den Artikelbestand und bucht die erhobenen Angaben in das Waren­wirtschafts­system ein. Entwickelt wurde das System vom Unternehmen MetraLabs aus Ilmenau im Rahmen des 3Dsensation-Verbund­vorhabens „Rotator“.

„Der Roboter kann Warenbestände zehnmal schneller und mit einer deutlich geringeren Fehlerquote erfassen als ein Mensch“, erläutert Andreas Bley, Mitgründer und Geschäftsführer bei MetraLabs sowie Koordinator des Projektes. „Auf diese Weise kommt es zu einer signifikanten Entlastung der Mitarbeitenden bei gleichzeitiger Effizienz­steigerung im Warenmanagement.“ Das System kommt bereits bei ersten Kunden in Deutschland, Europa und Australien zum Einsatz.

Fh.-IOF / DE

 

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