17.04.2020

Menschliche Hirnstruktur in feiner Auflösung

Magnetresonanztomographie macht kurze Nervenfasern sichtbar.

Einem Team um den Neurophysiker Nikolaus Weiskopf vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neuro­wissen­schaften in Leipzig ist es gelungen, die kurzen neuronalen Fasern mit Hilfe der Magnet­resonanz­tomographie (MRT) im lebenden menschlichen Gehirn sichtbar zu machen. Ihre Studie ist ein wichtiger Schritt, um das einzigartige Netzwerk der anatomischen Verbindungen und den Informations­fluss im Gehirn bei gesunden und erkrankten Menschen deutlich genauer zu rekonstruieren und damit besser zu verstehen. 
 

bb.: Gemessene Vernetzung der Nervenfasern (Bild: F. Movahedian Attar et al.)
bb.: Gemessene Vernetzung der Nervenfasern (Bild: F. Movahedian Attar et al.)

Das menschliche Gehirn ist ein immenses Netzwerk aus einer Vielzahl von Zellen, die durch Milliarden von Nervenfasern miteinander verbunden sind. Fast neunzig Prozent der Verbindungen in unserem Gehirn sind kurz und übertragen Informationen zwischen niedrigeren und höheren Verarbeitungsebenen. Diese Verbindungen sorgen dafür, dass unser Gehirn funktioniert: Mit ihrer Hilfe sehen, hören, denken und handeln wir. Deshalb sind Neuro­wissenschaftler auf der Suche nach neuen Methoden, die diese kurzen Verbindungen nicht invasiv darstellen können. „Wir sind jetzt in der Lage, kurze Nervenfasern mit einer Auflösung, die höher als ein Millimeter ist, zu erkennen. Um unsere Ergebnisse zu validieren, kombinieren wir die funktionelle und anatomische Magnet­resonanz­tomographie und vergleichen deren Ergebnisse miteinander“, erklärt Fakhereh Movahedian Attar, welche die Studie mit ihren Kollegen am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften durchgeführt hat.

Die Wissenschaftler machen neuronale Fasern und Nerven­verbindungen im Gehirn sichtbar, indem sie die eingeschränkte Beweglichkeit von Wasser in den dicht gepackten Nerven­faserbündeln ausnutzen. Daraus werden dann die Faser­richtungen und Verbindungs­stärken abgeleitet. „Diese Methode wird standardmäßig zur Erkennung von langen Faserbahnen im Gehirn verwendet, doch die kurzen Fasern, die dünn sind und sich häufig kreuzen, werden oft nicht erkannt. Wir haben nun neueste Magnet­resonanz­tomographie-Technik und zugeschnittene Analyse­techniken kombiniert, um diese Einschränkung zu überwinden. Um die kurzen Fasern abzubilden, haben wir den Connectom Scanner unseres Instituts verwendet, eines von vier Geräten dieser Art weltweit“, beschreibt Fakhereh Movahedian Attar die Methode.

Sie und ihre Kollegen konnten zeigen, dass die Bereiche im visuellen Kortex unseres Gehirns, die für die Sehverarbeitung auf niedriger und höherer Ebene verantwortlich sind, nach einem ganz bestimmten Prinzip durch kurze Fasern miteinander verdrahtet sind. Solche kortikalen Regionen, die den gleichen Teil des Gesichtsfeldes verarbeiten, sind auch stärker miteinander verbunden. So wie Straßennetze den Verkehrs­fluss und die Verkehrs­richtung bestimmen, können die Forscher nun besser verstehen, wie die Hirnstruktur die jeweilige Funktion bestimmt.

Die kurzen Faserbahnen verändern sich mit der normalen Hirn­entwicklung und können auch von verschiedenen neuro­degenerativen Erkrankungen betroffen sein, wie zum Beispiel Multipler Sklerose. Daher verspricht ihre verbesserte Messung nicht nur Fortschritte in den Grundlagen­wissenschaften, sondern langfristig möglicherweise auch in der klinischen Diagnostik. 

MPI-CBS / DE
 

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