Metastabiles Platin
Katalytische Eigenschaften von Platinatomen im Detail analysiert.
Schon vor Jahren hatte man festgestellt, dass Platin-Katalysatoren, die man zur Oxidation von Kohlenmonoxid verwendet, bei Temperaturen aktiv sind, bei denen sie nach bisher gängiger Sichtweise eigentlich noch gar keinen Effekt zeigen dürften. Ein Forschungsteam der TU Wien konnte mit Hilfe von Mikroskopaufnahmen auf atomarer Skala und aufwändigen Computersimulationen nun zeigen: Das lässt sich erklären, wenn man berücksichtigt, dass sowohl der Katalysator selbst als auch das Material, auf dem er verankert ist, für kurze Zeit metastabile Zustände annehmen.
In der Forschungsgruppe von Gareth Parkinson am Institut für Angewandte Physik der TU Wien untersucht man einzelne Platinatome auf einer Eisenoxid-Oberfläche. Sie kommen dann in Kontakt mit Gas, das Kohlenmonoxid enthält und wandeln das giftige Kohlenmonoxid in Kohlendioxid um. „Dieser Vorgang ist technisch sehr wichtig, was dabei aber auf atomarer Ebene genau geschieht, war bisher nicht klar“, sagt Gareth Parkinson. „In unserer Forschungsgruppe untersuchen wir solche Prozesse auf verschiedene Arten: Einerseits erzeugen wir in einem Rastertunnelmikroskop extrem hochauflösende Bilder, auf denen man die Bewegung einzelner Atome studieren kann. Und andererseits analysieren wir den Vorgang mit Computersimulationen.“
Ob die Platinatome als Katalysator aktiv sind, hängt von der Temperatur ab. Im Experiment wird der Katalysator langsam und gleichmäßig erwärmt, bis die kritische Temperatur erreicht ist, und Kohlenmonoxid zu Kohlendioxid umgewandelt wird. Diese Schwelle liegt bei ungefähr 550 Kelvin. „Das passte aber nicht zu unseren ursprünglichen Computersimulationen“, sagt Matthias Meier. „Nach der Dichtefunktionaltheorie, die man normalerweise für solche Berechnungen verwendet, sollte der Prozess erst bei 800 Kelvin stattfinden. Wir wussten also: Irgendetwas Wichtiges hatte man hier bisher übersehen.“
Mehrere Jahre hindurch sammelte das Team in veschiedenen anderen Forschungsprojekten umfangreiche Erfahrung mit ähnlichen Materialien, dadurch ergab sich Schritt für Schritt ein neues Bild: „Mit der Dichtefunktionaltheorie berechnet man normalerweise jenen Zustand des Systems, der die niedrigste Energie hat“, sagt Matthias Meier. „Das ist auch sinnvoll so, denn das ist der Zustand, den das System am häufigsten annimmt. Doch in unserem Fall gibt es einen zweiten Zustand, der eine zentrale Rolle spielt: Einen metastabilen Zustand.“
Sowohl die Platin-Atome als auch die Eisenoxid-Oberfläche können zwischen unterschiedlichen Atomanordnungen hin- und her wechseln. Der Grundzustand, mit der niedrigsten Energie, ist stabil. Wenn das System in den metastabilen Zustand wechselt, kehrt es nach kurzer Zeit unweigerlich wieder in den Grundzustand zurück. Doch bei der katalytischen Umwandlung von Kohlenmonoxid genügt es, dass sich das System für kurze Zeit im metastabilen Zustand befindet. Zwei Platinatome, die sich auf der Eisenoxid-Oberfläche gemeinsam genau an der richtigen Stelle anlagern, halten je ein Kohlenmonoxid-Molekül fest. Das Eisenoxid kann im metastabilen Zustand genau an dieser Stelle seine atomare Struktur ändern, es gibt ein Sauerstoffatom frei, das sich mit einem der Kohlenmonoxid-Moleküle zu Kohlendioxid verbindet, das dann augenblicklich davonfliegt – der Katalyseprozess ist somit abgeschlossen. „Wenn wir diese bisher nicht berücksichtigen Kurzzeit-Zustände in unsere Computersimulation mit einbauen, dann kommen wir genau auf das Ergebnis, das auch im Experiment gemessen wurde“, sagt Matthias Meier.
TU Wien / JOL