02.06.2017

Methanausbrüche formten Kraterlandschaft

Geophysikalische Messungen in der Barentsee erklären seltsame Formation am Meeresboden.

Zerklüftete Kraterlandschaften entstanden meist durch den Einschlag von Meteoriten oder sind vulkanischen Ursprungs. Aber am Meeres­boden der Barentsee nördlich von Norwegen waren dafür ganz andere Prozesse verantwortlich. Eine Forscher­gruppe am Centre for Arctic Gas Hydrate, Environment and Climate in Tromsø ging der Entstehung dieser ungewöhnlichen Formation nun auf den Grund. Mit geophysikalischen Methoden und Computer­modellen fanden sie heraus, dass plötzliche Ausbrüche von Methangas vor etwa 12.000 Jahren den Meeres­boden aufrissen und die bis heute ausgeprägte Krater­landschaft bildeten.

Abb.: Kraterlandschaft am Boden der Barentsee, aus der bis heute Methan austritt. (Illustration; Bild: A. Plaza Faverola / CAGE)

Karin Andreassen und ihre Kollegen kartierten ein 440 Quadratkilometer großes Areal am Boden der Barentsee mit bachymetrischen Methoden und nahmen parallel zweidimensionale seismische Profile des Unter­grunds auf. In 310 bis 370 Meter Wassertiefe fanden sie mit Hilfe der Echolot-Untersuchungen hunderte von Kratern, die Durchmesser von einigen hundert Metern bis zu einem Kilometer aufwiesen. Steile Hänge umgaben die bis zu 30 Meter tiefen Strukturen. Aus über 600 Öffnungen traten stetig Methan­gasblasen auf.

Auf der Basis dieser Beobachtungen entwickelten die Forscher ihre schlüssige Erklärung für die Entstehung der Krater. So war die Krater­region während der letzten Kaltzeit, die vor 110.000 Jahren begann und vor etwa 10.000 Jahren endete, von einer dicken Eisschicht bedeckt. Bis zu 2000 Meter hohe Eisschilde lasteten auf dem Untergrund der untersuchten Region. Unter dem Druck der Eismassen bildeten sich große Reservoire aus festen Gas­hydraten, so genannte Pingos. Denn aus tieferen Erd­schichten aufsteigendes Methan konnte durch den Eispanzer nicht entweichen und bildete zusammen mit Wasser feste und brennbare Methanhydrat-Kristalle.

Abb.: Hunderte von Methanausbrüchen gebildete Krater finden sich am Meeresboden der Barentsee in einem 440 Quadratkilometer großen Areal. (Bild: K. Andreassen / CAGE)

Auf der Basis der gewonnen Messdaten entwickelten ein Modell, um die Entstehung der Krater­landschaft zu erklären. So tauten die Methan­hydrate mit der einsetzenden Erwärmung vor 15.000 Jahren partiell auf. Methangas wurde freigesetzt und der Gasdruck im Meeresboden stieg über wenige tausend Jahre stetig an. Etwa vor 12.000 Jahren war der Überdruck so groß, dass es zu plötzlichen Methan­ausbrüchen kam. Bei diesen Ausbrüchen wurde der Meeresboden aufgerissen und es entstand die weit ausgedehnte Kraterlandschaft.

Nach jedem größeren Ausbruch wurden die Austritts­schlote allerdings wieder durch Sediment­material verschlossen. So bildeten sich unmittelbar neben einem Haupt­krater weitere, aber kleinere Gashydrat-Pingos, die teils wieder kollabierten und dabei kleinere Krater hinterließen. Parallel entstand im Untergrund ein Netzwerk miteinander verknüpfter Leistungs­bahnen für Methangas. Aus diesen blubbern bis heute Methanblasen auf.

Dieses Modell erklärt aber nicht nur vergangene Prozesse am Meeresboden. Denn auch heute schlummern noch riesige Methanhydrat-Vorkommen unter den Kilometer dicken Eisschilden Grönlands oder der Antarktis. Mit zunehmender Erderwärmung könnten auch diese Methan­hydrate auftauen und zu plötzlichen Methan­ausbrüchen führen, will Andreassen nicht ausschließen. Da Methan in der Atmosphäre als ein überaus effizientes Treibhausgas wirkt – etwa um das 25-fache stärker als Kohlen­dioxid –, würden solche Methan­ausbrüche die Erderwärmung sogar noch beschleunigen.

Jan Oliver Löfken

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