Mikroorganismen schwimmen mit dem Strom
Bewegungsmuster einzelliger Grünalgen unter verschiedenen Lichtintensitäten analysiert.
Forschende der Universität Bayreuth und des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen haben die Bewegungsmuster einzelliger Wasserstoff-produzierender Grünalgen unter verschiedenen Lichtintensitäten untersucht. Die Ergebnisse helfen dabei, den Einsatz dieser Mikroorganismen in biotechnologischen Anwendungen wie der Erzeugung von erneuerbaren Energieträgern zu verbessern.

Photosynthetische Mikroorganismen nutzen Licht als Energiequelle und sind lebende Miniaturfabriken, die Sauerstoff produzieren und Kohlenstoff speichern, während sie Sonnenlicht in chemische Energie umwandeln. Neben ihrer ökologischen Bedeutung als Kohlenstoffspeicher spielen diese Mikroorganismen auch in nachhaltigen technologischen Anwendungen für eine klimaneutrale Industrie eine große Rolle: Dort werden sie verwendet, um beispielsweise in Photobioreaktoren gezielt chemische Verbindungen für erneuerbare Biokraftstoffe und auch Wasserstoff für Brennstoffzellen herzustellen. Dabei wirken sich die Umweltbedingungen auf die Bewegungsfähigkeit individueller Mikroorganismen aus, was wiederum Auswirkungen auf die Bewegung der ganzen Gemeinschaft an Einzellern hat. Ein besseres Verständnis der Bewegungsmuster trägt somit zu einem verbesserten Design von effizienten Photobioreaktoren bei.
In Abwesenheit von Licht und Sauerstoff schaltet der Stoffwechsel der einzelligen Grünalge Chlamydomonas in eine Art Energiesparmodus, bei dem als Nebenprodukt molekularer Wasserstoff entsteht. Dabei steuert die Lichtintensität die individuelle Bewegungsfähigkeit (Motilität) der einzelnen Zellen: Je stärker die Lichtintensität, desto schneller bewegen sich die einzelnen Zellen im Wasser; je weniger Licht, desto langsamer bewegen sie sich. Es zeigt sich also ein direkter Zusammenhang zwischen Lichtintensität und Schwimmgeschwindigkeit.
Bislang waren jedoch die Auswirkungen dieser individuellen Bewegung auf die kollektive Schwimmbewegung der gesamten Population an Einzellern nicht bekannt. Deshalb haben Forschende um Oliver Bäumchen von der Universität Bayreuth die Bewegung von einzelnen Chlamydomonas-Zellen sowie deren Auswirkung auf eine Chlamydomonas-Suspension – eine mikrobielle Gemeinschaft, die in wässriger Umgebung schwimmt – untersucht. Ihre Studie hat gezeigt, dass sich die Chlamydomonas-Zellen bei hoher Lichtintensität eher an der Wasseroberfläche befinden als weiter unten. „Dieses Verhalten ist auf die Neigung der Mikroorganismen zurückzuführen, sich gegen die Schwerkraft zu bewegen. Dies bietet in einem natürlichen Gewässer einen evolutionären Vorteil, da die Einzeller an der Wasseroberfläche bessere Chancen auf eine gute Lichtausbeute vorfinden als in größeren Tiefen“, so Bäumchen.
Zudem hat das Forschungsteam herausgefunden, dass mit abnehmender photosynthetischer Aktivität und damit abnehmender Motilität der einzelnen Zellen in der gesamten Zellgemeinschaft gerichtete Strömungen entstehen. Diese kollektive Motilität zeigt sich als regelmäßiges dreidimensionales Strömungsmuster, in denen die Strömungsraten und Zellverteilungen direkt über die Lichtintensität gesteuert werden. „Diese Ströme entstehen unter den äußerst ungünstigen Bedingungen des gleichzeitigen Licht- und Sauerstoffmangels und könnten daher dem mikrobiellen Kollektiv potentiell helfen, die Erkundung ihres natürlichen Lebensraums auf der Suche nach besseren Bedingungen auszuweiten“, sagt Bäumchen.
U. Bayreuth / JOL