07.12.2006

Mikroskop für Wärmestrahlung

Ein neuartiges Nahfeld-Wärmemikroskop bildet heiße Oberflächen auf 100 Nanometer genau ab.



Ein neuartiges Nahfeld-Wärmemikroskop bildet heiße Oberflächen auf 100 Nanometer genau ab.

Wenn ein Gegenstand wärmer ist als seine Umgebung, verrät er sich auch in dunkelster Nacht durch die von ihm abgegebene Wärmestrahlung. Mit einer Infrarotkamera lässt sich diese Strahlung, die eine Wellenlänge von etlichen Mikrometern hat, sichtbar machen. Ein jetzt vorgestelltes Wärmemikroskop nutzt diese Infrarotstrahlung, um auch in der Mikrowelt ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen. Dabei lassen sich an erwärmten Objekten noch Details erkennen, die etwa 100-mal kleiner sind als die Wellenlänge der von ihnen abgegebenen Strahlung.

Das Wärmemikroskop, das Yannick de Wilde und Florian Formanek von der Ecole Supérieure de Physique et Chimie Industrielle in Paris zusammen mit ihren Kollegen gebaut haben, ist ein modifiziertes Rasterkraftmikroskop. Während die Wolframspitze des Mikroskops mit einer bestimmten Frequenz auf und nieder schwingt, wird sie über eine Materialoberfläche geführt und tastet sie ab. Die von den Forschern untersuchten Oberflächenstrukturen waren mikrometergroße Scheibchen und Streifen aus Gold, die auf eine Unterlage aus Siliziumkarbid aufgedampft worden waren. Die Unterlage samt den Goldstrukturen wurde auf eine Temperatur von 170 °C erhitzt, sodass sie Wärmestrahlung mit Wellenlängen um 10 µm herum abgaben.

In einiger Entfernung von der Wärmequelle, dort wo die Wärmestrahlung nur aus dem Fernfeld besteht, kann man mithilfe dieser Strahlung räumliche Details der Quelle nur auflösen, wenn sie nicht kleiner sind als ungefähr die halbe Strahlungswellenlänge (Abbe'sches Gesetz). Das exponentiell abklingende Nahfeld in unmittelbarer Umgebung der Quelle enthält hingegen weitere Informationen, die eine wesentlich bessere Auflösung ermöglichen. In der optischen Nahfeldmikroskopie zum Beispiel fängt man das Lichtfeld eines beleuchteten Objekts so nahe an seiner Oberfläche wie möglich auf und leitet es durch eine Glasfaser zum Detektor weiter. Beim Wärmemikroskop gingen die französischen Forscher ähnlich vor, wobei sie das Objekt aber nicht bestrahlen mussten, da es ja selbst leuchtete.

Die schwingende Spitze des Wärmemikroskops drang periodisch in des Nahfeld der Wärmestrahlung ein. Ein Teil dieser Strahlung wurde dabei an der Spitze gestreut und konnte dann in einiger Entfernung von einem Infrarotdetektor aufgefangen und registriert werden. Die Spitze des Wärmemikroskops wirkte auf das exponentiell abfallende Nahfeld in ähnlicher Weise wie die Spitze eines Rastertunnelmikroskops auf die exponentiell abfallenden Wellenfunktionen der Elektronen in einer Metalloberfläche: Sie ermöglicht es den Infrarotphotonen, die in der Strahlungsquelle als Polaritonen an Ladungsschwingungen gebunden waren, aus der Quelle herauszutunneln und sie zu verlassen.

Bei den Polaritonen handelte es sich um elektromagnetische Wellen in der Strahlungsquelle, die im Falle des Goldes an oberflächennahe Schwingungen der Leitungselektronen gekoppelt waren, im Falle des nichtleitenden Siliziumkarbids an Schwingungen des Kristallgitters. Dieser Unterschied zwischen den beiden Substanzen führt dazu, dass aus ihnen die Infrarotphotonen je nach Wellenlänge unterschiedlich gut über die schwingenden Spitze heraustunneln konnten. Obwohl die Goldstrukturen und das Substrat aus Silziumkarbid dieselbe Temperatur hatten, gaben sie unter dem Wärmemikroskop unterschiedliche Infrarotstrahlung ab und ließen sich deshalb gut voneinander unterscheiden.

Durch Abrastern der Materialoberfläche ließ sich gleichzeitig mit dem Rasterkraftbild auch ein wärmemikroskopisches Bild der Goldstrukturen gewinnen, auf dem noch Details von 100 nm zu erkennen waren. Auf den Wärmebildern der ebenen Goldstreifen zeigten sich außerdem streifenförmige Modulationen, die die Forscher als Interferenzmuster interpretieren – ähnlich denen, die man bei Rastertunnelaufnahmen von strukturierten Metalloberflächen beobachtet hatte. In den Goldstreifen bildeten die Polaritonen stehende Wellen. Dort, wo die Wellen konstruktiv interferierten, war die „Polaritonendichte“ hoch. Hier konnte die Spitze des Mikroskops besonders viele Photonen zum Tunneln veranlassen, sodass Streifen mit größerer Infrarotintensität auftraten. Die Interferenzen der Polaritonen in den Mikrostrukturen führten dazu, dass die abgegebene Wärmestrahlung über große Entfernungen hinweg Kohärenz zeigte und somit alles andere als ungeordnet war, wie man es normalerweise von thermischer Strahlung erwartet. Mithilfe des Wärmemikroskops wird es also möglich, ins Innere von Metallen und Nichtleitern zu blicken und dem Treiben der Polaritonen zuzuschauen.

Rainer Scharf

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