Mikroskopie mit Elektronenblitzen
Kombiniertes Verfahren ultraschneller Elektronenmikroskopie liefert hohe Orts- und Zeitauflösung.
Chemische Reaktionen und Phasenumwandlungen sind schwierig zu untersuchen, wenn sie in Nanoteilchen ablaufen. Das liegt nicht nur an der Kleinheit der Objekte, sondern vor allem an der kurzen Zeit, innerhalb der sich diese Partikel umwandeln. Gewöhnliche Elektronenmikroskope haben nicht die notwendige Zeitauflösung, um in die hier benötigte Mikro- bis Nanosekundenskala vorzudringen. Zwar arbeiten optische Spektroskopie oder Röntgenbeugung mit kurzen Pulsen heute im Femtosekundenbereich, dort fehlt aber die nötige Ortsauflösung, um Transformationen einzelner Nanopartikel zu beobachten.
Die Arbeitsgruppen um Florian Banhart an der Universität Straßburg und Thomas LaGrange an der Ecole Polytechnique in Lausanne haben nun eine Technik der Elektronenmikroskopie zur Anwendung gebracht, die hohe Orts- mit hoher Zeitauflösung kombiniert. Der Grundstein dieser ultraschnellen Elektronenmikroskopie wurde bereits in den 1960er Jahren in Berlin gelegt, findet aber erst seit wenigen Jahren eine gewisse Verbreitung. Die Methode funktioniert wie bei der Blitzlichtfotografie: Das Objekt wird mit einem sehr kurzen Elektronenblitz beleuchtet, während der Verschluss der Kamera im Elektronenmikroskop lange geöffnet bleiben kann.
Als Auslöser der Teilchenumwandlung dient ein kurzer Laserpuls, der auf die Probe geschossen wird. Nach einer einstellbaren Verzögerung folgt dann der Elektronenpuls. Letzterer wird ebenfalls mit einem Laserpuls erzeugt, der auf eine Photokathode im Elektronenmikroskop trifft. Die gepulste Mikroskopie wird dann mit verschiedenen Verzögerungen an identischen Teilchen wiederholt, bis man die zeitliche Entwicklung des Objekts kennt.
Das Hauptproblem war bisher die Tatsache, daß die technisch wichtigen Reaktionen und Umwandlungen in Nanoteilchen meistens irreversibel sind. Man kann also nur einen einzigen Elektronenpuls (single-shot) zur Erzeugung einer Aufnahme verwenden, der aber sehr intensiv sein muss. Schwierigkeiten bereitet die gegenseitige Abstoßung der Elektronen, die mit hoher Dichte in einem Puls konzentriert sind.
Mit einem neuen Elektronenmikroskop, das an der Universität Straßburg entwickelt wurde, gelang jetzt erstmals die umfassende Analyse einer schnellen chemischen Reaktion in Nanoteilchen. Mit dem gepulsten Elektronenstrahl wurde elektronenmikroskopische Abbildung mit Elektronenbeugung und erstmals weltweit mit Elektronenenergieverlust-Spektroskopie im Einzelpulsmodus kombiniert, um die thermische Reduktion von Nickeloxidkristallen zu untersuchen. Dabei konnten die Forscher nicht nur die Reaktionsgeschwindigkeit mit einer Präzision von etwa zehn Nanosekunden messen, sondern auch erstmals eine Übergangsphase von flüssigem Nickel sehen, die bei der Kinetik der Reaktion die entscheidende Rolle spielt.
Damit eröffnen sich zahlreiche neue Anwendungen der Mikroskopie mit Elektronenpulsen. Irreversible Phasenumwandlungen oder chemische Reaktionen in Nanomaterialien lassen sich jetzt mit den neuen Methoden der gepulsten analytischen Elektronenmikroskopie im Detail untersuchen. Der nächste Schritt ist nun die Anwendung spezieller Probenkammern, die diese Technik auch in gasförmiger oder flüssiger Umgebung der Objekte ermöglichen.
IPCMS / U. Straßburg / CNRS / DE