Mikrotubuli heilen sich selbst
Fluoreszenz-Mikroskopie offenbart Selbstheilungsmechanismen des Zellskeletts.
Viele Zellen besitzen ein inneres Cytoskelett aus röhrenförmigen Filamenten. Diese Mikrotubuli verlieren unter mechanischer Belastung rasch ihre Festigkeit und weisen Defekte auf. Ein Forscherteam aus Frankreich entdeckte nun, dass sich die Miniröhren sehr schnell selbst reparieren können. Detaillierte Untersuchungen mit Fluoreszenz-Mikroskopen offenbarten die erstaunlichen Selbstheilungsmechanismen.
Abb.: Einzelne Mikrotubuli weisen nach mechanischer Belastung Risse auf, die sich selbstständig durch die Anlagerung von Tubulin-Dimeren verschließen. (Bild: M. Théry et al., LPCV / iRTSV / DSV / CEA)
„Die Defekte spielen eine zentrale Rolle für die mechanischen Eigenschaften der Mikrotubuli“, sagt Manuel Thery vom Institut de Recherche en Technologie et Science pour le Vivant in Grenoble. Der Zellexperte entwickelte zusammen mit Physikern eine Methode, um das Verhalten der Mikrotubuli im Detail untersuchen zu können. Dazu ließen sie bis zu vier Millimeter lange Röhrchen auf einer Unterlage in einer Flüssigkeit mit dem biologischen Polymer Tubulin wachsen. Die aufrecht stehenden Mikrotubuli konnten sie darauf kontrolliert einer Strömung aussetzen, um sie wiederholt zu verbiegen.
Mit einem Fluoreszenz-Mikroskop beobachteten die Wissenschaftler das Biegeverhalten der Röhrchen. Schon nach wenigen mechanischen Belastungen verloren die Mikrotubuli an Festigkeit und neigten sich bei konstanter Strömung immer stärker. Lagen allerdings Pausen von länger als hundert Sekunden zwischen den Biegeversuchen, zeigten die Röhrchen wieder ihre ursprüngliche Festigkeit. Diese Beobachtung legte nahe, dass sich die Mikrotubuli schnell und selbstständig reparieren konnten.
Abb: Aufnahme des Cytoskeletts einer Zelle, aufgebaut aus zahlreichen Mikrotubuli, mit einem Fluoreszenz-Mikroskop. (Bild: M. Théry et al., LPCV / iRTSV / DSV / CEA)
Mehrfach gebogene Röhrchen zeigten nicht nur einzelne Risse in ihrer zylindrisch aufgebauten Hülle sondern auch Verlagerungen der Tubulin-Dimere in dem symmetrischen Aufbau. Beides führte offenbar zum zunehmenden Verlust der Festigkeit. Während der Regenerationspause konnten sich jedoch neue Tubulin-Dimere, mit grünen Fluoreszenzmarkern markiert, in die Mikrotubuli-Hülle einlagern. Auf diese Weise wurden Risse, die teils auch bewusst mit Lasern gerissen wurden, wieder geschlossen. Doch auch entlang der gesamten Miniröhre lagerten sich Tubulin-Dimere ab, dank derer die ursprüngliche Festigkeit wieder erreicht werden konnte.
Zwei Effekte – das Verschließen der Risse und die Neuanordnung der Polymerstruktur – waren für den Selbstheilungsprozess der Mikrotubuli von zentraler Bedeutung. Die Forscher vermuten jedoch auf der Grundlage ihrer Beobachtung, dass erst bestehende Risse überhaupt zu einer Neuanlagerung von Tubulin-Dimeren führten. Die Defekte erwiesen sich so als Vorteil, um die gewünschte Festigkeit wieder herzustellen. Diese physikalische Untersuchung von biologischen Cytoskeletten liefert Biologen wichtige Hinweise, um die Regeneration von Zellen verstehen zu können. Denkbar ist aber auch, dass sich diese natürliche Selbstheilung in Zukunft auf synthetische Röhrchen übertragen lässt.
Jan Oliver Löfken
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