14.07.2017

Mikrowellen zeigen Struktur eines molekularen Motors

Spektroskopische Methode ermöglicht Analyse von Nano-Maschinen in Aktion.

Mit Hilfe von Mikrowellen haben Forscher die exakte Struktur eines winzigen mole­ku­laren Motors ent­schlüsselt. Die Nano-Maschine besteht aus einem einzigen Molekül mit 27 Kohlen­stoff- und 20 Wasser­stoff­atomen. Wie ein makro­sko­pischer Motor besitzt sie einen Rotor und einen Stator, die mit einer Achse ver­bunden sind. Die Analyse zeigt nun, wie die ein­zelnen Teile des Mini-Motors genau auf­gebaut und arran­giert sind.

Abb.: Das untersuchte Motormolekül. (Bild: S. Domingos, DESY)

Die Funktion von Nano-Maschinen ergibt sich aus ihren struktu­rellen Eigen­schaften. Um die mole­kulare Maschi­nerie besser zu verstehen und zu opti­mieren, ist es wichtig, ihre genaue Struktur zu kennen und zu verstehen, wie sich diese Struktur während wichtiger mecha­nischer Schritte verändert. Und zwar vorzugs­weise unter Bedin­gungen, unter denen das System nicht durch äußere Einflüsse gestört wird.

Das jetzt untersuchte Motormolekül ist sehr vielversprechend für eine Reihe von Anwen­dungen, wie Sérgio Domingos vom DESY und vom MPI für Struktur und Dynamik der Materie erläutert: „Chemiker sind ganz verrückt nach diesem Molekül und versuchen, es mit einer Reihe anderer Moleküle zu verbinden.“ Die Nano-Maschine wird durch Licht akti­viert und durch­läuft dann eine Folge photo­che­mischer und ther­mischer Schritte, durch die sie eine halbe Drehung voll­führt. Ein erneuter Aus­löser lässt den Motor dann eine komplette Rotation voll­enden, so dass er in seine Aus­gangs­position zurück­kehrt.

„So eine lichtgesteuerte Aktivierung ist ideal, denn sie erlaubt, den Motor auf nicht­invasive und eng lokali­sierte Weise fern­zu­steuern“, sagt Domingos. „So könnte das Molekül etwa mit einer Arznei verbunden werden, so dass sich diese licht­ge­steuert präzise am gewünsch­ten Ort im Körper aus­schütten und akti­vieren ließe. Aber auch Anwen­dungen wie eine licht­ge­steuerte Kata­lyse oder eine Bewe­gungs­über­tragung von der moleku­laren Ebene auf die makro­sko­pische Welt wären inte­res­sante Perspek­tiven. Für solche Anwen­dungen ist es wichtig, die genaue Struktur und Arbeits­weise des Motor­moleküls zu verstehen.“

Der atomare Aufbau des Motormoleküls war bereits mit Röntgen­strahlung unter­sucht worden. Für diese Unter­suchungs­methode mussten die Moleküle zunächst zu Kristallen gezüchtet werden. Die Kristalle beugen die Röntgen­strahlung dann auf charak­teris­tische Weise, und von dem resul­tie­renden Beugungs­muster lässt sich die Anord­nung der Atome berechnen. „Im Gegen­satz dazu haben wir iso­lierte Moleküle in einem Gas unter­sucht“, erläutert Melanie Schnell vom DESY, die das Team leitet. „Auf diese Weise können wir das Molekül so sehen wie es wirklich ist, frei von allen äußeren Ein­flüssen wie Lösungs­mitteln oder chemischen Bindungen.“

Um die Struktur der Moleküle zu bestimmen, wurden sie einem reso­nanten Mikro­wellen­feld ausge­setzt. „Wir haben ein elektro­magne­tisches Feld benutzt, um alle Moleküle kohärent in dieselbe Richtung auszu­richten, und haben dann ihre Relaxa­tion beob­achtet, sobald das Feld abge­schaltet wurde“, berichtet Schnell. „Das liefert uns die Rota­tions­konstanten des Moleküls, die uns wiederum genaue Infor­ma­tionen über seinen struk­tu­rellen Aufbau liefern.“

Diese Mikrowellenspektroskopie ist nicht simpel: Im Fall des Motor­moleküls mussten die Forscher mehr als zwei­hundert Linien im Spektrum mit quanten­chemischen Modell­rechnungen zur Deckung bringen. „Gemessen an der Zahl der Atome ist der mole­kulare Motor gegen­wärtig das größte Molekül, dessen Struktur bislang mit Hilfe der Mikro­wellen­spektro­skopie gelöst worden ist“, betont Schnell.

Um die Moleküle in der Mikrowellenkammer zum Fliegen zu bringen, mussten sie zunächst auf 180 Grad Celsius aufge­heizt und dann extrem schnell auf minus 271 Grad abge­kühlt werden. „Das Auf­heizen hat manche der Motoren an der Achse aus­ein­ander­brechen lassen“, berichtet Domingos. „Auf diese Weise konnten wir den Rotor und den Stator unab­hängig von­ein­ander unter­suchen und dabei ihre jewei­lige Struktur bestä­tigen. Das liefert uns auch Hinweise auf den Mecha­nismus, über den sie aus­ein­ander­brechen.“

Die Analyse lieferte einige kleine Abweichungen von der Struktur­bestim­mung mit Röntgen­strahlung, bei der die Moleküle im Kristall mit­ein­ander wechsel­wirken. „Das zeigt, dass die Struktur des Motors unzweifel­haft von seiner Umge­bung beein­flusst wird“, sagt Domingos. Noch bedeu­tender sei jedoch, dass die Mikro­wellen­technik die Unter­suchung der Dynamik der Motor­moleküle ermög­licht. „Jetzt, da wir das Molekül sehen, wie es wirk­lich ist, wollen wir es in der Bewe­gung ein­fangen“, unter­streicht Domingos. Der Rotor geht durch ein Zwischen­stadium, das mit drei Minuten lange genug dauert, um sich mit Mikro­wellen­spektro­skopie unter­suchen zu lassen. Die Forscher planen bereits derartige Unter­suchungen, um im Detail zu ver­stehen, wie der mole­kulare Motor funktio­niert.

DESY / RK

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