02.06.2006

Milchstraße neu kartiert

Amerikanische Forscher präsentieren die bislang detailreichste Karte der Gasverteilung in der Milchstraße.


Milchstraße neu kartiert

Amerikanische Forscher präsentieren die bislang detailreichste Karte der Gasverteilung in der Milchstraße.

Unsere Milchstraße ist eine Spiralgalaxie - aber ihre genaue Struktur, die Anzahl und die Länge ihrer Spiralarme sind nur schwer zu bestimmen. Denn im Gegensatz zu anderen Galaxien können die Astronomen die Milchstraße nicht von außen betrachten, sondern befinden sich selbst mitten in der zu untersuchenden Struktur. Amerikanische Forscher präsentieren nun in der Online-Ausgabe des Fachmagazins Science die bislang detailreichste Karte der Gasverteilung in der Milchstraße.

„Wir konnten zeigen, dass die Milchstraße zwar eine mehrarmige, aber nicht achsensymmetrische Spiralgalaxie ist“, fassen die Autoren Evan Levine, Leo Blitz und Carl Heiles von der University of California in Berkeley ihr Ergebnis zusammen. Die Spiralarme sind also ungleichmäßig um das Zentrum der Milchstraße herum angeordnet. Im Gegensatz zu früheren Untersuchungen konnte das Team die Spiralarme bis zu einer Entfernung von 80.000 Lichtjahren vom galaktischen Zentrum hinaus verfolgen.

Da die Beobachter selbst in der Scheibe der Galaxis sitzen, lässt sich die Struktur der Milchtrasse nicht mit optischen Methoden erfassen: Schon in wenigen tausend Lichtjahren wird die Absorption durch Staub in der Scheibenebene zu stark. Einen Ausweg bietet die Radioastronomie, denn die 21-Zentimeter-Linie des neutralen Wasserstoffs wird vom Staub nicht absorbiert. Die Intensität dieser Spektrallinie ist dabei in etwa proportional zur Dichte des Wasserstoffgases, liefert also einen guten Eindruck der Wasserstoffverteilung in der Milchstraße.

Abb.: Mit der modifizierten unscharfen Maskierung erzeugte Karte der Wasserstoffverteilung in der Milchstraße. Im oberen Bild ist ein logarithmischer Fit an die vier größten Spiralarme eingetragen. Im unteren Bild zeigen die Linien das Modell einer vierarmigen, symmetrischen Spirale - das deutlich von den Beobachtungen abweicht. (Quelle: Science/Levine et al.)

Da die Milchstraße nicht starr rotiert liefert die Dopplerverschiebung der 21-Zentimeter-Linie zusammen mit einem Rotationsmodell die Position der jeweiligen Strahlungsquelle. So lässt sich aus dem genauen Profil der 21-Zentimete-Linie die Verteilung des Wasserstoffgases in der Milchstraße rekonstruieren. Die Spiralarme erscheinen dabei als Regionen, in denen die Dichte des Wasserstoffs im Mittel höher ist als in der Umgebung.

Das Problem: Die Dichte des Wasserstoffs nimmt in der Milchstrasse sehr stark von innen nach außen ab. Gegen diese starke Abnahme ließen sich die schwächeren Kontraste zwischen den Spiralarmen und ihrer Umgebung bislang nur schwer sichtbar machen. Levine, Blitz und Heiles haben nun ein aus der optischen Astronomie entlehntes Verfahren in leicht modifizierter Weise auf die 21-Zentimeter-Daten angewendet: Die so genannte unscharfe Maskierung. Dabei wird eine absichtlich verschmierte Kopie des Bildes von dem Original abgezogen. Auf diese Weise wird der großräumige Trend beseitigt und kleinräumige Strukturen hervorgehoben.

Die drei Astronomen haben dazu ein Gitter über die Galaxis gelegt und in jedem Gitterelement den Median der Dichte bestimmt. Während üblicherweise dann dieser Median von den ursprünglichen Daten subtrahiert wird, haben Levine und seine Kollegen die Originaldaten durch den lokalen Median geteilt. „Dadurch konnten wir die radiale Variation der Dichte um mehr als eine Größenordung kompensieren“, so die Forscher.

Die resultierende dimensionslose Größe ist dann ein direktes Maß für die lokalen Abweichungen der Wasserstoffdichte von der Umgebung. In der sich so ergebenden Karte zeigen sich zahlreiche Spiralarme, wobei allerdings auf der einen Seite vom galaktischen Zentrum deutlich mehr Spiralarme zu erkennen sind. Im Gegensatz zu vielen großen Spiralgalaxien ist die Milchstraße also nicht achsensymmetrisch. Dank der unscharfen Maskierung können Levine und seine Kollegen die Spiralarme erstmals bis zu einer Entfernung von 80.000 Lichtjahren vom Zentrum der Milchstraße hinaus verfolgen. Die globale Form der Spiralarme, so zeigen die Wissenschaftler, ist logarithmisch, ähnelt also der Spiralstruktur eines tropischen Wirbelsturms.

Rainer Kayser

Weitere Infos:

  • Originalarbeit:
    E. S. Levine, Leo Blitz und Carl Heiles, The Spiral Structure of the Outer Milky Way in Hydrogen, Science Express 1128455 (2006). 
  • University of California in Berkeley:
    http://www.berkeley.edu

Weitere Literatur:

  • H.C. van de Hulst, C.A. Muller, J.H. Oort, The spiral structure of the outer part of the Galactic System derived from the hydrogen emission at 21 cm wavelength, Bulletin of the Astronomical Institutes of the Netherlands 12, 117. 
  • A.P. Henderson, P.D. Jackson, F.J. Kerr, The distribution of neutral atomic hydrogen in our galaxy beyond the solar circle, Astrophysical Journal 263, 116 (1982). 
  • D.F. Malin, Unsharp Masking, American Astronomical Society Photo-Bulletin 16, 10 (1977).

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