Radare basieren auf Millimeterwellen, die Kunststoffe, Pappe, Holz und Textilien durchdringen. Sie sind damit in der Lage, zu sehen, was sich in Verpackungen, hinter Wänden oder hinter Rauch und Nebel befindet. Forscher des Fraunhofer-IAF haben sich die Eigenschaften von Millimeterwellen zunutze gemacht und ein kompaktes W-Band-Radar entwickelt, das sich ideal für den Einsatz in der Industriesensorik eignet: Es durchleuchtet verpackte Güter und gibt eine präzise Auskunft über deren Inhalt.
Abb.: Das kompakte W-Band-Radar ist in etwa so groß wie eine Zigarettenschachtel. (Bild: Fh.-IAF)
Die moderne industrielle Produktion soll mithilfe von intelligenten und digital vernetzten Systemen weitestgehend selbstorganisiert und selbstständig werden. Menschen, Maschinen, Anlagen, Logistik und Produkte sollen miteinander kommunizieren und kooperieren und damit einzelne Produktionsschritte oder gar die gesamte Wertschöpfungskette optimieren. Zu dieser Vision gehören Systeme, die anhand der ihnen zur Verfügung stehenden Daten selbstständig Entscheidungen treffen und Aufgaben möglichst autonom erledigen. Das vom Fraunhofer-IAF entwickelte W-Band-Radar bringt die Industrieautomation einen Schritt weiter. Das Radar arbeitet mit Millimeterwellen im Frequenzbereich von 75 bis 110 GHz. Es prüft verpackte Güter auf Inhalt und Vollständigkeit. Auf Basis der Ergebnisse kann das System selbstständig fehlerhafte Warenlieferungen vor dem Versand aussortieren.
Bislang werden zur Präsenzdetektion im Produktionsablauf meistens optische Sensoren wie etwa Laser eingesetzt. Der Nachteil ist, dass Laser bei schlechten Sichtverhältnissen versagen und nicht hinter Verpackungsmaterial blicken können. Das W-Band-Radar hingegen liefert nicht nur hochpräzise Abstandsmessungen bei Staub, Rauch oder Nebel, es ermöglicht sogar einen Blick hinter Materialien und Gegenstände. Wie ein Röntgengerät, das den Blick in den menschlichen Körper ermöglicht, erfasst das Radar, was sich in einer Verpackung oder hinter einer Wand befindet. Im Gegensatz zu Röntgenstrahlen sind die vom W-Band-Radar ausgesendeten kurzwelligen Strahlen im Millimeterbereich jedoch nicht gesundheitsschädlich. Die Sendeleistung des Radars ist sogar hundert Mal kleiner als die eines Handys.
Die Kombination aus den einzigartigen Eigenschaften von Millimeterwellen und dem kompakten, vom Fraunhofer-IAF entwickelten Radarmodul bietet auch über die Industriesensorik hinaus eine breite Anwendungspalette. „Überall dort, wo eine berührungsfreie Materialprüfung, eine Kontrolle von verpackten Waren oder hochpräzise Abstandsmessungen unter schwierigen Bedingungen wie etwa eingeschränkter Sicht gefordert sind, kann das Radar eingesetzt werden“, sagt Christian Zech, Forscher am Fraunhofer-IAF. Das Institut hat bereits mehrere Projekte gestartet, bei denen es unter anderem um den Sicherheitsaspekt in der Mensch-Maschine-Kollaboration, den Einsatz des Radars in der rauen Umgebung eines Stahlwerks sowie als sichere Landehilfe für Hubschrauber geht.
Das Radar sendet Signale aus, die von Materialien und Gegenständen reflektiert werden und zum Radar zurückkehren. Sende- und Empfangssignal werden mithilfe numerischer Algorithmen miteinander verglichen und geben Auskunft darüber, was sich in welchem Abstand vor dem Radarmodul befindet. „Trotz ihrer Vorteile hatten Millimeterwellen-Radarsysteme bislang nur eine geringe Marktakzeptanz, da niederfrequente Systeme zu groß und hochfrequente Systeme zu teuer in der Herstellung sind“, erklärt Zech. Das neu entwickelte System ist dagegen ist kompakt, kostengünstig und modular aufgebaut. Durch die kürzeren Wellenlängen von rund drei Millimetern ist das komplette System in etwa so groß wie eine Zigarettenschachtel. Eine kostengünstige Herstellung des Moduls ist den Forschern durch eine Aufbau-und Verbindungstechnik auf Platinenbasis gelungen. „Unser W-Band-Radar basiert auf dem Halbleiter Galliumarsenid und bietet damit eine höhere Bandbreite, Auflösung, Empfindlichkeit und Robustheit als Radar-Systeme, die mit Siliziumschaltkreisen arbeiten. Das ist für viele Anwendungen entscheidend“, erläutert Benjamin Baumann vom Fraunhofer-IAF.
Fh.-IAF / RK