19.11.2019 • AstrophysikTeilchenphysik

Mit Antiprotonen auf der Jagd nach dunkler Materie

Neuer Ansatz für die Suche nach rätselhaftem Bestandteil des Kosmos.

Einen völlig neuen Ansatz bei der Suche nach dunkler Materie haben Wissenschaftler der BASE-Kollabo­ration am europä­ischen Forschungs­zentrum CERN zusammen mit einer Arbeits­gruppe am Exzellenz­cluster PRISMA+ der Uni Mainz verfolgt: Erstmals haben sie den Einfluss von dunkler Materie auf Antimaterie statt auf gewöhnliche Materie unter­sucht. „Bisher haben Wissen­schaftler in Präzisions­experimenten bei niedrigen Energien stets materie­basierte Proben benutzt, um an ihnen eine Kopplung von dunkler Materie nach­zu­weisen“, erläutert Christian Smorra, der zurzeit am japanischen Forschungs­institut RIKEN tätig ist und in den nächsten Jahren eine Arbeits­gruppe an der Uni Mainz aufbauen wird. „Wir suchen zum ersten Mal explizit nach einer Wechsel­wirkung zwischen dunkler Materie und Antimaterie. Die meisten Studien gehen von einer symmetrischen Wechsel­wirkung der dunklen Materie mit Teilchen und Antiteilchen aus. Wir über­prüfen in unserer Studie, ob das wirklich der Fall ist.“

Abb.: Stefan Ulmer bei der Arbeit am BASE-Experiment am Antiproton Decelerator....
Abb.: Stefan Ulmer bei der Arbeit am BASE-Experiment am Antiproton Decelerator. (Bild: M. Brice, CERN)

Der Ansatz hat doppelten Charme: Über die mikro­skopischen Eigen­schaften der dunklen Materie ist bisher nur sehr wenig bekannt – einer der viel diskutierten Kandidaten sind ALPs – „Axion Like Particles“. Darüber hinaus liefert das Standard­modell der Teilchen­physik keine Erklärung, warum es im Universum so viel mehr Materie als Antimaterie gibt. „Wir hoffen, durch unsere Experi­mente einen Hinweis zu finden, der die beiden Frage­stellungen verbinden könnte“, sagt Yevgeny Stadnik, der am Helmholtz-Institut Mainz an der Studie mitgewirkt hat. „Denn sowohl theoretisch als auch experi­mentell ist eine asymme­trische Wechsel­wirkung dieser Art zuvor noch nicht unter­sucht worden. In unserer aktuellen Forschungs­arbeit gehen wir einen ersten Schritt in diese Richtung.“

Das Untersuchungsobjekt der Wissen­schaftler ist ein einzelnes Antiproton, gefangen in einer Penning­falle. Diese Teilchen erzeugten die Wissen­schaftler am Antiproton Decelerator am CERN, der weltweit einzigen Forschungs­anlage, in der Antiprotonen bei niedriger Energie zur Verfügung gestellt werden. Anschließend speicherten und unter­suchten die Wissen­schaftler die dort erzeugten Antiprotonen im Fallen­system der BASE-Kollabo­ration.

Das Antiproton besitzt nicht nur eine Ladung, sondern auch einen Spin. In einem Magnetfeld präzediert dieser Spin mit einer ganz bestimmten, konstanten Frequenz – der Spin­präzessions­frequenz. „Die Anwesen­heit von dunkler Materie könnten wir dadurch detek­tieren, dass sich diese Frequenz verändert“, so Smorra. „Dabei betrachten wir die poten­ziellen Teilchen der dunklen Materie als klassisches Feld mit einer bestimmten Wellen­länge. Diese Wellen laufen kontinu­ierlich durch unser Experi­ment und verändern dort periodisch die eigentlich konstante Präzessions­frequenz des Antiproton-Spins im Magnetfeld.“

Mit ihrem experimentellen Aufbau haben die Forscher einen bestimmten Frequenz­bereich abgesucht – und bisher keine Hinweise auf dunkle Materie gefunden. „Mit unserem aktuellen Messaufbau haben wir zwar keine signi­fikante und perio­dische Änderung der Spin­präzessions­frequenz des Antiprotons gefunden“, erläutert Stefan Ulmer, Sprecher der BASE-Kollabo­ration am CERN. „Gleich­wohl haben wir die Empfind­lich­keit im Vergleich zu astro­physika­lischen Beobach­tungen um bis zu fünf Größen­ordnungen über­troffen. Das bedeutet, wir haben basierend auf der jetzigen Empfind­lich­keit unseres Experi­ments eine neue obere Grenze für die Stärke einer potenziellen Wechsel­wirkung zwischen dunkler Materie und Antimaterie definiert.“

Künftig wollen die Wissenschaftler die Genauig­keit bei der Messung der Spin­präzessions­frequenz des Antiprotons weiter verbessern. Das wäre dann auch die Voraus­setzung dafür, die auf Antimaterie basierende Suche nach dunkler Materie noch empfind­licher zu machen. Hierzu werden neue Kühl­methoden für Protonen und Antiprotonen entwickelt, sowie Methoden zur Quanten­logik-Spektro­skopie des Antiproton-Spins entwickelt. Es wäre darüber hinaus interessant, ähnliche Studien mit anderen Antiteilchen durch­zu­führen, zum Beispiel mit Positronen oder Antimyonen.

JGU / RK

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