12.09.2016

Mit superschweren Elektronen zum absoluten Nullpunkt

Quantenmaterial ermöglicht deutlich effizientere Ent­magne­ti­sie­rungs­kühlung.

Um sehr tiefe Temperaturen knapp über dem absoluten Null­punkt zu er­zeugen werden magne­tische Materi­alien adia­batisch durch Abschal­tung eines äußeren Magnet­felds ent­magne­ti­siert. Bislang kommen hierzu verdünnte magne­tische Salze zum Einsatz. Ein inter­natio­nales Forscher­team hat jetzt eine neue metal­lische Verbindung mit super­schweren Elek­tronen entwickelt, deren Kühl­effi­zienz die jener bei der adia­ba­tischen Entmag­neti­sierung bisher verwendeter magne­tischer Salze signi­fikant übersteigt.

Abb.: Verlauf der Temperatur eines Yb0.81Sc0.19Co2Zn20-Ein­kristalls bei Reduk­tion des Magnet­felds von 8 auf 0 Tesla. (Bild: U. Augs­burg)

In der Grundlagenforschung werden sehr tiefe Temperaturen benötigt, um Quanten­eigen­schaften von Materi­alien zu unter­suchen oder empfind­liche Teilchen­detek­toren zu betreiben. Meist wird Helium-3 als Kühl­mittel verwendet. Es weist den niedrig­sten Siede­punkt aller Stoffe auf, ist aber sehr teuer. Eine preis­günstige und unkompli­zierte Alter­native ist das Kühl­ver­fahren der adiaba­tischen Entmag­neti­sierung. Hier dienen zum Kühlen magne­tische Salze, deren Momente nur sehr schwach wechsel­wirken, so dass sie sich ohne Magnet­feld erst bei ganz tiefen Tempe­ra­turen regel­mäßig anordnen, wohin­gegen sie sich durch ein ange­legtes Magnet­feld auch bei höheren Tempe­ra­turen aus­richten lassen.

Um die Entropie der bei der adiabatischen Entmag­neti­sierung als Kühl­substanz verwen­deten magne­tischen Salze so weit wie möglich zu senken, wird sie in einem ersten Arbeits­schritt durch Anlegen eines Magnet­felds stark redu­ziert. Anschlie­ßend wird das Feld adiaba­tisch wieder heraus­ge­fahren, um die Entropie konstant und somit sehr niedrig zu halten. Da diese niedrige Entropie nach Heraus­fahren des Magnet­felds sehr tiefe Tempe­ra­turen voraus­setzt, kühlen sich die magne­tischen Salze bei diesem Prozess stark ab.

Kommerzielle Entmagnetisierungskühler, die nach diesem Prinzip funktio­nieren, verwenden bis­lang verdünnte magne­tische Salze. Deren Wärme­leit­fähig­keit ist jedoch so schlecht, dass sie in ein feines Geflecht aus Metall­drähten einge­bracht werden müssen, was den Wirkungs­grad des Kühl­stoffs pro Volumen erheb­lich redu­ziert. Hier setzte das Forscher­team an: Mit der Ent­wicklung der neuen magne­tischen metal­lischen Legie­rung (Yb1-xScx)Co2Zn20 ist es den Wissen­schaftlern gelungen, die Voraus­setzung für eine signi­fi­kante Verbes­serung des Wirkungs­grads der Ent­magne­ti­sierungs­kühlung zu schaffen.

Normalerweise tritt beim Abkühlen magnetischer Metalle entweder magne­tische Ordnung auf oder die magne­tischen Momente werden durch die Leitungs­elektronen abge­schirmt und damit unwirk­sam. Beides bewirkt, dass die Entropie bereits bei hoher Tempe­ratur stark redu­ziert ist, was eine Entmag­neti­sierungs­kühlung zu tiefen Tempe­ra­turen unmög­lich macht. „Unser Ziel war es deshalb, beide Effekte zu ver­hindern, um erst­mals mit einem magne­tischen Metall eine effek­tive Entmag­neti­sierungs­kühlung zu er­reichen“, sagt Philipp Gegen­wart von der Uni Augs­burg, der Leiter des Forschungs­projekts.

Das neu entwickelte (Yb1-xScx)Co2Zn20 bringt die Voraus­setzungen mit, um diese Eigen­schaft zu erfüllen: In dieser Legie­rung sind die magne­tischen Yb-Momente von Käfigen aus Zn-Atomen umgeben. Diese Anord­nung erschwert einer­seits die Abschir­mung der magne­tischen Momente durch Leitungs­elek­tronen, anderer­seits aber auch die magne­tische Ordnung der Momente. Hier­durch bilden sich super­schwere Elektronen bei sehr tiefen Tempe­ra­turen aus. Eine leichte Verdün­nung der Yb-Plätze durch nicht­magne­tische Sc-Atome bewirkt, dass Ordnung gerade am abso­luten Nullpunkt ein­setzt. Dieser quanten­kri­tische Punkt im opti­mierten Material ermög­licht es im Prinzip, bis zum abso­luten Null­punkt zu kühlen.

Die Experimente des Teams zeigen, dass sich die neue Verbin­dung bei der adiaba­tischen Entmag­neti­sierung während des Heraus­fahrens des Magnet­felds extrem stark ab­kühlt – sogar bis unter die im Versuchs­auf­bau tiefste mess­bare Tempe­ratur von 0.03 Kelvin. Kühl­effi­zienz und Wärme­leit­fähig­keit des neuen Materials sind damit signi­fikant besser als bei den bis­lang verwen­deten magne­tischen Salzen.

U. Augsburg / RK

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