Mit superschweren Elektronen zum absoluten Nullpunkt
Quantenmaterial ermöglicht deutlich effizientere Entmagnetisierungskühlung.
Um sehr tiefe Temperaturen knapp über dem absoluten Nullpunkt zu erzeugen werden magnetische Materialien adiabatisch durch Abschaltung eines äußeren Magnetfelds entmagnetisiert. Bislang kommen hierzu verdünnte magnetische Salze zum Einsatz. Ein internationales Forscherteam hat jetzt eine neue metallische Verbindung mit superschweren Elektronen entwickelt, deren Kühleffizienz die jener bei der adiabatischen Entmagnetisierung bisher verwendeter magnetischer Salze signifikant übersteigt.
Abb.: Verlauf der Temperatur eines Yb0.81
In der Grundlagenforschung werden sehr tiefe Temperaturen benötigt, um Quanteneigenschaften von Materialien zu untersuchen oder empfindliche Teilchendetektoren zu betreiben. Meist wird Helium-3 als Kühlmittel verwendet. Es weist den niedrigsten Siedepunkt aller Stoffe auf, ist aber sehr teuer. Eine preisgünstige und unkomplizierte Alternative ist das Kühlverfahren der adiabatischen Entmagnetisierung. Hier dienen zum Kühlen magnetische Salze, deren Momente nur sehr schwach wechselwirken, so dass sie sich ohne Magnetfeld erst bei ganz tiefen Temperaturen regelmäßig anordnen, wohingegen sie sich durch ein angelegtes Magnetfeld auch bei höheren Temperaturen ausrichten lassen.
Um die Entropie der bei der adiabatischen Entmagnetisierung als Kühlsubstanz verwendeten magnetischen Salze so weit wie möglich zu senken, wird sie in einem ersten Arbeitsschritt durch Anlegen eines Magnetfelds stark reduziert. Anschließend wird das Feld adiabatisch wieder herausgefahren, um die Entropie konstant und somit sehr niedrig zu halten. Da diese niedrige Entropie nach Herausfahren des Magnetfelds sehr tiefe Temperaturen voraussetzt, kühlen sich die magnetischen Salze bei diesem Prozess stark ab.
Kommerzielle Entmagnetisierungskühler, die nach diesem Prinzip funktionieren, verwenden bislang verdünnte magnetische Salze. Deren Wärmeleitfähigkeit ist jedoch so schlecht, dass sie in ein feines Geflecht aus Metalldrähten eingebracht werden müssen, was den Wirkungsgrad des Kühlstoffs pro Volumen erheblich reduziert. Hier setzte das Forscherteam an: Mit der Entwicklung der neuen magnetischen metallischen Legierung (Yb1-xScx)
Normalerweise tritt beim Abkühlen magnetischer Metalle entweder magnetische Ordnung auf oder die magnetischen Momente werden durch die Leitungselektronen abgeschirmt und damit unwirksam. Beides bewirkt, dass die Entropie bereits bei hoher Temperatur stark reduziert ist, was eine Entmagnetisierungskühlung zu tiefen Temperaturen unmöglich macht. „Unser Ziel war es deshalb, beide Effekte zu verhindern, um erstmals mit einem magnetischen Metall eine effektive Entmagnetisierungskühlung zu erreichen“, sagt Philipp Gegenwart von der Uni Augsburg, der Leiter des Forschungsprojekts.
Das neu entwickelte (Yb1-xScx)Co2Zn20 bringt die Voraussetzungen mit, um diese Eigenschaft zu erfüllen: In dieser Legierung sind die magnetischen Yb-Momente von Käfigen aus Zn-Atomen umgeben. Diese Anordnung erschwert einerseits die Abschirmung der magnetischen Momente durch Leitungselektronen, andererseits aber auch die magnetische Ordnung der Momente. Hierdurch bilden sich superschwere Elektronen bei sehr tiefen Temperaturen aus. Eine leichte Verdünnung der Yb-Plätze durch nichtmagnetische Sc-Atome bewirkt, dass Ordnung gerade am absoluten Nullpunkt einsetzt. Dieser quantenkritische Punkt im optimierten Material ermöglicht es im Prinzip, bis zum absoluten Nullpunkt zu kühlen.
Die Experimente des Teams zeigen, dass sich die neue Verbindung bei der adiabatischen Entmagnetisierung während des Herausfahrens des Magnetfelds extrem stark abkühlt – sogar bis unter die im Versuchsaufbau tiefste messbare Temperatur von 0.03 Kelvin. Kühleffizienz und Wärmeleitfähigkeit des neuen Materials sind damit signifikant besser als bei den bislang verwendeten magnetischen Salzen.
U. Augsburg / RK