01.06.2011

Modellierung komplexer Flüssigkeiten

Coarse Graining ermöglicht die effektive Modellierung von Flüssigkeiten aus großen und unterschiedlichen Bestandteilen.

Coarse Graining ermöglicht die effektive Modellierung von Flüssigkeiten aus großen und unterschiedlichen Bestandteilen.

Einem internationalen Forschungsteam ist es gelungen, eine breit anwendbare Methode zu entwickeln, um komplexen Flüssigkeiten ihre physikalischen Grundlagen zu entlocken. Eine mikroskopische Theorie , die die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Komponenten einer komplexen Polymermischung beschreibt, wurde experimentell mit Neutronenstreuexperimenten belegt. 

Abb.: Die komplexen Makromoleküle der links gezeigten Mischung aus Sternpolymeren (gelb und blau) und linearen Polymeren (rot) werden durch Kugeln ersetzt(rechts). Die weggelassenen Informationen werden gemittelt in das vereinfachte System eingearbeitet, so dass die Charakteristika der Substanzen erhalten bleiben. (Bild: FZ Jülich / Uni Wien)

Komplexe Flüssigkeiten – Polymerschmelzen für die Kunststoffproduktion, Mischungen aus Wasser, Öl und Amphiphilen, die in lebenden Zellen genauso zu finden sind wie in der Waschtrommel, oder kolloidale Suspensionen, wie Blut oder Dispersionsfarben – unterscheiden sich wesentlich von einfachen Flüssigkeiten aus kleinen Molekülen, wie etwa Wasser. Denn sie bestehen aus Mischungen mikro- und nanometergroßer Teilchen mit einer großen Zahl von Freiheitsgraden. Aus komplexen Molekülen aufgebaute Flüssigkeiten erlauben zum Beispiel eine Vielzahl von Schwingungen, Bewegungen der funktionellen Gruppen der Moleküle oder gemeinsame Bewegungen mehrerer Moleküle. Sie machen sich auf sehr unterschiedlichen Längen-, Zeit- und Energieskalen bemerkbar, was bisher das Verständnis der Eigenschaften dieser Materialien und die gezielte Entwicklung neuer Materialien erschwerte.

Eine von Physikern des Forschungszentrums Jülich, des Instituts Laue-Langevin und der Universitäten Wien und Rom entwickelte und getestete Methode ermöglicht nun eine realistische Modellierung komplexer Flüssigkeiten. Das Team aus Wien und Rom erarbeitete das Theorie-Modell. Weil die Forscher dafür nicht alle Details des echten Systems – einer Mischung aus größeren sternförmigen Polymeren und kleineren Polymerketten – einbeziehen konnten, eliminierten sie systematisch die schnellen Freiheitsgrade und konzentrierten sich auf die relevanten, langsamen Freiheitsgrade. Durch „Coarse Graining“ ersetzten die Forscher jedes komplexe Makromolekül durch eine Kugel passender Größe. „Die Herausforderung besteht darin, die weggelassenen Freiheitsgrade gemittelt in das vereinfachte System einfließen zu lassen, so dass die Charakteristika der Substanzen erhalten bleiben“, erläutert Christos Likos von der Universität Wien.

Dass die Wechselwirkungen zwischen den Kugeln des vergröberten Modells die Verhältnisse im echten System realistisch nachbilden, belegte das Team aus Jülich mit Hilfe von Neutronenstreuexperimenten am Institut Laue-Langevin in Grenoble. Doch für Neutronen sind die einzelnen Polymere der Mischung zunächst nicht zu unterscheiden. Deshalb färbten die Physiker die für sie interessanten Bestandteile so an, dass sie sich abhoben. Die so untersuchten Strukturen und Wechselwirkungen stimmen gut mit den Vorhersagen der Theorie überein.

FZ Jülich / Uni Wien / KK

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