06.10.2015

Molekül-Orbitale in 3D abgebildet

Neue Form der Photo­elektronen­spektro­skopie kann das Un­sicht­bare sicht­bar machen.

Wissenschaftlern der Karl-Franzens-Universität Graz, des Forschungs­zentrums Jülich und der Physikalisch-Technischen Bundes­anstalt ist es gelungen, Elektronen­orbitale in allen drei Dimensionen experimentell zu erfassen. Für ihre Unter­suchung nutzten sie die Weiter­entwick­lung einer Methode, mit der sie die Orbitale vor zwei Jahren bereits zwei­dimen­sional sichtbar machen konnten.

Abb.: Sergey Subach, Forschungszentrum Jülich, und Eva-Maria Reinisch, Uni Graz, bei Messungen an der Metrology Light Source der PTB (Bild: FZJ)

„Orbitale beinhalten Informationen über die räumliche Verteilung der Elektronen bei einer bestimmten Energie. Sind sie bekannt, lassen sich alle relevanten Eigen­schaften eines Materials ableiten“, erklärt Peter Puschnig von der Uni Graz. Doch die Gesetze der Quanten­mechanik bringen es mit sich, dass man nicht direkt beobachten kann, wie sich ein Elektron als Welle ausbreitet.

Ein kanadisch-japanisches Wissenschaftler-Team zeigte im Jahr 2004 mithilfe eines hoch­energie­­reichen Lasers, wie sich diese Orbital­funktion – zumindest für einfache zweiatomige Moleküle – über Umwege trotzdem abbilden lässt. Rund zehn Jahre später gelang es den Grazer und Jülicher Forschern erstmals, auch solche Orbitale zu erfassen, die sich über größere, komplexe Moleküle erstrecken. Für ihre Messungen nutzten sie eine Form der Photo­elektronen­­spektroskopie und beschossen eine Molekülschicht auf einer Silberoberfläche mit Photonen, woraufhin sich angeregte Elektronen heraus­lösen. „Diese fliegen danach nicht willkürlich durch den Raum, sondern lassen aufgrund der Winkel- und Energie­verteilung Rück­schlüsse auf die Molekül­orbitale zu“, so Puschnig.

Mit einer Weiterentwicklung der Methode ist es den Wissen­schaftlern nun gelungen, die Sicht­bar­keit der Orbitale von der zwei- auf die dreidimen­sionale Ebene zu bringen. Dazu war es nötig, das Experiment mit verschie­denen Energien, also verschie­denen Wellen­längen des Lichts, im ultravioletten Bereich durchzu­führen. „Mit unter­schiedlichen Wellen­längen lassen sich zusätzliche räumliche Tiefen­informa­tionen gewinnen, ähnlich wie mit einer Kamera, die ein Motiv wiederholt mit variabler Brennweite aufnimmt“, erläutert Stefan Tautz vom Forschungs­zentrum Jülich. Doch lange ließen sich die Daten, die aus unter­schied­lichen Mess­reihen stammen, nicht zu einem räumlichen Modell vereinen.

„Bislang konnten wir die gemessenen Intensitäten, die von verschiedenen Photonen­energien herrühren, nicht miteinander vergleichen“, berichtet Michael Ramsey vom Institut für Physik der Uni Graz. „Zusammen mit der Energie ändert sich auch der Photonen­fluss, also die absolute Zahl der eingehenden Photonen, die für die 3D-Rekon­struktion bekannt sein muss. Doch in der Regel lässt sich dieser Wert gar nicht genau erfassen“, ergänzt Sergey Subach vom Jülicher Peter-Grünberg-Institut.

Um vergleichbare Werte zu erhalten, installierten die Jülicher Forscher ihren Detektor daher an der Metrology Light Source MLS der PTB in Berlin. „Unsere Synchrotron­strahlungs­quelle ist weltweit eine der wenigen, die einen genau kalibrierten Photonen­fluss bereitstellt“, erklärt Alexander Gottwald von der PTB. Anhand der Daten aus den kali­brierten Messungen konnten die Grazer Wissen­schaftler im Rahmen des Forschungs­schwerpunkts „Modelle und Simulation“ anschließend die Elektronenverteilung in 3D rekonstruieren.

Abb.: Prinzip der 3D-Rekon­struktion mittels Photo­elektronen­spektroskopie: durch Photonen heraus­gelöste Elektronen aus der Elektronen­hülle lassen Rückschlüsse auf die Orbitale zu. Mit unterschied­lichen Photonen­energien lässt sich die dreidimen­sional Struktur des Orbitals erfassen. (Bild: FZJ)

Damit hat das Forschungsteam aus Jülich, Graz und Berlin die Wellen­funktion, die sich im quanten­mechanischen Sinne eigentlich gar nicht direkt beobachten lässt, dennoch sichtbar gemacht. Die Ergebnisse sind ein lang gesuchter Beleg für die herrschenden Modell­vor­stellungen. So bescheinigte etwa der Orbital­theoretiker Kenichi Fukui, gemeinsam mit Roald Hoffmann 1981 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet, dem Konzept der Molekülorbitale im Jahre 1977 eine „somewhat unreal nature“, also eine „irgendwie unwirkliche Natur“.

Das Ergebnis ist darüber hinaus auch für die Physik relevant: „Unser Experiment liefert eine interes­sante neue physika­lische Erkenntnis über den zugrunde­liegenden Photo­effekt“, berichtet Tautz. Demnach lassen sich die Elek­tronen, die dabei heraus­gelöst werden, ganz ähnlich wie freie Elek­tronen beschreiben – eine Vorstel­lung, die man vor fast fünfzig Jahren aufgrund der angenommenen Streuung an den Atomkernen eigentlich schon verworfen hatte.

FZJ / OD

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