28.08.2009

Molekülstruktur sichtbar gemacht

Ein Rasterkraftmikroskop mit präparierter Spitze zeigt atomare Details in Molekülen.

Ein Rasterkraftmikroskop mit präparierter Spitze zeigt atomare Details in Molekülen.

Der Blick in die Welt der Moleküle und Atome ist dank der Rastermikroskopie beinahe zur Routine geworden. Beinahe – denn noch immer entdeckt man erstaunliche Dinge. So hat man mit dem Rastertunnelmikroskop die Magnetisierungskurve einzelner Kobaltatome aufgenommen oder die Orbitale eines Moleküls sichtbar gemacht, mit dem Rasterkraftmikroskop konnte man einzelne Atome auf einer Oberfläche chemisch identifizieren oder ihren Ladungszustand bestimmen. Die Abbildung einzelner Atome in einem Molekül mit einem Rastermikroskop stieß jedoch bislang auf Schwierigkeiten, die jetzt mit Hilfe einer besonders präparierten Spitze überwunden werden konnten.

Das Rastertunnelmikroskop spricht in erster Linie auf die Zustandsdichte der Elektronen nahe der Fermi-Energie an, aus der sich nur sehr schwer Informationen über die Position und Identität der Atome in einem Molekül gewinnen lassen. Mit dem Rasterkraftmikroskop ist es schon eher möglich, einzelne chemisch gebundene Atome sichtbar zu machen, wie Untersuchungen an Kohlenstoffnanoröhren gezeigt haben. Die Kraft, mit der sich die Spitze des Mikroskops und ein auf einer Unterlage absorbierten Molekül anziehen oder abstoßen, hängt sehr empfindlich von der exakten Position der Spitze über dem Molekül ab. Ob sich daraus jedoch ein atomgenaues Bild des Moleküls gewinnen lässt, wird vor allem durch die Geometrie und atomare Zusammensetzung der Spitze entschieden, wie Untersuchungen bei IBM in Rüschlikon zeigen.

Leo Gross und seine Kollegen haben mit einem Rasterkraftmikroskop den atomaren Aufbau von Pentazenmolekülen (C22H14) sichtbar gemacht. Die aus fünf aneinander hängenden Benzolringen bestehenden Moleküle waren auf atomar glatten Kupferoberflächen absorbiert und wurden im Ultrahochvakuum bei 5 Kelvin untersucht, um störende Verunreinigungen und Wärmebewegungen zu vermeiden. Die Metallspitze des Mikroskops „verunreinigten“ die Forscher gezielt mit einem CO-Molekül, wobei von früheren Experimenten bekannt war, dass das Kohlenstoffatom des Moleküls an der Spitze haftet, das Sauerstoffatom hingegen zur Probe zeigt und damit das neue Ende der Spitze ist.

Mit dieser präparierten Spitze wurden die 1,5 nm langen Moleküle auf der Kupferoberfläche berührungslos abgetastet. Dazu wurde gemessen, wie sich die Schwingungsfrequenz des elastischen Balkens, an dessen Ende die Spitze saß, infolge der auf die Spitze wirkenden Kräfte veränderte. Wurde die Spitze vom Molekül abgestoßen, so erhöhte sich die Schwingungsfrequenz; wurde sie angezogen, so nahm die Frequenz ab. Die Forscher führten die Spitze mit konstant gehaltenem Abstand von weniger als 0,5 nm über das Molekül und tasteten es punktweise in zwei Dimensionen ab. Auf diese Weise erhielten sie für unterschiedliche Abstände Rasterbilder des Moleküls.

Die beste Auflösung hatten die Rasterbilder, die bei einem Abstand zwischen Molekül und Spitze von 0,12 nm gemacht worden waren. Hier konnte man deutlich die fünf Benzolringe, die Positionen der Kohlenstoffatome in den Ringen sowie die Bindungen zwischen den Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen sehen. Eine wesentlich schlechtere Auflösung ergab sich, wenn die Spitze nicht mit einem CO-Molekül sondern mit Chlor oder Pentazen dotiert worden ware. Mit einer „sauberen“ Silberspitze ließen sich hingegen überhaupt keine atomaren Strukturen in den Pentazenmolekülen erkennen.

Am stärksten wurde die CO-dotierte Spitze von den Löchern in den Benzolringen der Pentazenmoleküle angezogen, während die Anziehungskraft der C-C-Bindungen schwächer war. Um den Ursprung der auftretenden Kraft zu bestimmen, haben die Forscher Dichtefunktionalrechnungen durchgeführt und dabei eine gute Übereinstimmung mit dem Experiment festgestellt. Aus ihrem Ergebnis schließen sie, dass – nach Abzug der von der Metallspitze und der Kupferunterlage verursachten Kräfte – drei Kräfte unterschiedlicher Reichweite wirken. Die elektrostatische Anziehung und die anziehende van der Waals-Kraft liefern diffuse und strukturlose Beträge zur Gesamtkraft. Nur die kurzreichweitige Pauli-Abstoßungskraft, die aufgrund des Pauli-Verbots zwischen überlappenden Elektronenwolken im Molekül und in der CO-Spitze auftritt, enthält Information über die atomare Struktur des Moleküls. Da die Elektronendichte nahe der Atome und der chemischen Bindungen besonders groß ist, macht sich die Pauli-Abstoßung vor allem hier bemerkbar, allerdings nur für sehr kleine Abstände zwischen Molekül und Spitze.

Die Forscher sind zuversichtlich, dass sie mit Hilfe ihres Rasterkraftmikroskops auch Information über Länge und Art der chemischen Bindungen zwischen den Atomen in einem Molekül gewinnen können. Außerdem ließe sich mit unterschiedlichen Atomen oder Molekülen auf der Mikroskopspitze auch die chemische Reaktionsfähigkeit an bestimmten Stellen in einem Molekül untersuchen. Das ergäbe sehr genaue Einblicke in den Ablauf chemischer Reaktionen und Katalyseprozesse. Schließlich könnte man nach Meinung der Forscher mit Hilfe der elektrostatischen Rasterkraftmikroskopie auch den Transport und die Verteilung einzelner Elektronen in metallhaltigen Molekülen untersuchen.

RAINER SCHARF

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