25.11.2014

Molekularer Motor läuft mit Licht

Kontinuierliche Bestrahlung induziert relative Bewegung zwischen Molekülen auf Basis sich wiederholender Antriebszyklen.

Molekulare Motoren und Maschinen sind in lebenden Organismen allgegenwärtig. Sie transportieren Substanzen im Inneren von Zellen oder sorgen für makroskopische, mechanische Vorgänge wie etwa die Muskelkontraktion. Dabei wandeln sie permanent Energie aus externen Quellen in gerichtete Bewegung um. Auf molekularer Ebene befinden sich diese Maschinen also jenseits des chemischen Gleichgewichts, ihre Prozesse laufen also in eine bestimmte Richtung ab.

Abb.: Durch Licht angetriebener, molekularer Motor. (Bild: Raggazon et al. / NPG)


So selbstverständlich dieses Ungleichgewicht in biochemischen Systemen auch sein mag, für ihre künstlichen Pendants im Labor stellt es eine große Herausforderung dar. Meist geht die Umsetzung mit hochkomplexen, chemischen Strukturen und komplizierten Prozessen einher. Im Gegensatz dazu haben Forscher der Universität Bologna in Italien nun ein verblüffend einfaches Konzept präsentiert, um eine gerichtete, relative Bewegung zwischen zwei Molekülen zu realisieren – induziert durch gleichmäßige, konstante Bestrahlung mit Licht und dennoch auf Basis sich wiederholender Antriebszyklen.


Das System der Forschergruppe rund um Giulio Ragazzon besteht aus zwei Sorten von Molekülen: Ringe mit Durchmessern von 0,7 nm und etwa 1,7 nm lange Ketten, die im Wesentlichen aus drei verschiedenen Segmenten zusammengesetzt waren. Befinden sich die Moleküle in Lösung, schieben sich die Ringe über die vorerst geraden Ketten und bleiben am mittleren Segment in einem Potenzialminimum hängen. Dieser Einfädelvorgang passiert von einer bestimmten Seite, da die Ketten asymmetrisch sind und an den Anfängen und den Enden unterschiedliche Potenzialbarrieren aufweisen. Durch das einstrahlende Licht werden die geraden Ketten isomerisiert und ihr hinteres Ende klappt hoch. Dadurch verändert sich der Potenzialverlauf und treibt die Ringe weiter nach vorne, wo sie die Ketten wieder verlassen. Die Isomerisierung wirkt also wie eine Ratsche, die eine Rückwärtsbewegung verhindert. Da die kontinuierliche Strahlung auch den entgegengesetzten Umschaltprozess zwischen den Isomeren induziert, kann ein soeben transportierter Ring sofort mit der nächsten geraden Kette einfädeln und so den nächsten Antriebszyklus starten. Eine Abschätzung der freien Energien des Systems ergibt eine maximal verrichtete Arbeit von 0,13 eV pro Zyklus. Dabei sind im Schnitt etwa 430 ultraviolette Photonen involviert. Der Wirkungsgrad der molekularen Motoren beträgt also höchstens 9 10-5.


Um die Potenzialverläufe zwischen den Ringen und den beiden Isomeren der Ketten zu bestimmen, untersuchten die Forscher das System mithilfe von Fluoreszenzspektroskopie. Beim Einfädeln nimmt das Signal der Ringe stark ab. Das ermöglicht eine genaue Bestimmung der Prozessraten und somit der Potenzialbarrieren. Indem Ragazzon und seine Kollegen symmetrische Ketten verwendeten, die entweder aus zwei Anfängen oder zwei Enden bestanden, konnten sie unabhängig voneinander die Raten für das Einfädeln von vorne bzw. von hinten bestimmen. Die Bestätigung gerichteter Arbeitszyklen dagegen war auf direktem Weg nicht möglich, da diese die Eigenschaften des Gesamtsystems nicht verändern. Sie gelang jedoch über den Nachweis eines Ungleichgewichts in den Konzentrationen der einzelnen Isomere oder deren Verbindungen mit den Ringen. Diesen Messungen zufolge läuft im Durchschnitt nur einer von 160 Zyklen in die falsche Richtung.

Da ihr System in seiner derzeitigen Form keine Arbeit verrichten kann, planen die Forscher bereits den nächsten Schritt. Sie wollen die Nanomotoren in eine Membran einbauen, die zwei Bereiche einer Lösung trennt. So könnten sie als lichtbetriebene Pumpen Moleküle von einer Seite auf die andere befördern.

Thomas Brandstetter

RK

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