12.10.2020 • NanophysikAtome und Moleküle

Molekularer Schwarm baut Oberflächen Atom für Atom um

Nanotechnologisches Verfahren zur Veränderung von Strukturen auf Metalloberflächen.

In vielen technologisch relevanten Bereichen, wie zum Beispiel der Sensorik und der Batterie­forschung, spielt die Ober­fläche von Metallen eine entscheidende Rolle: Die atomare Struktur der Ober­fläche bestimmt, ob und wie Moleküle mitein­ander reagieren. Zugleich beeinflusst die Ober­flächen­struktur eines Metalls seine elektro­nischen Eigen­schaften. Das ist wichtig für die Effizienz von elektro­nischen Bauteilen in Batterien. Weltweit arbeiten Wissen­schaftler intensiv an der Entwicklung neuartiger Verfahren, um die Struktur von Metall­ober­flächen gezielt auf atomarer Ebene zu modi­fi­zieren.

Abb.: Carben-Moleküle führen durch kooperative Zusammen­arbeit zwei...
Abb.: Carben-Moleküle führen durch kooperative Zusammen­arbeit zwei Atom­reihen der Gold­ober­fläche zu einer Reihe zusammen, so dass schritt­weise eine neue Ober­flächen­struktur entsteht. (Bild: S. Amirjalayer, WWU)

Ein Team von Physikern und Chemikern um Saeed Amirjalayer von der Uni Münster hat jetzt ein mole­ku­lares Werkzeug entwickelt, das es auf atomarer Ebene ermöglicht, gezielt die Struktur einer Metall­ober­fläche zu verändern. Mit Hilfe von Computer­simulationen konnte vorher­gesagt werden, dass diese Umstruktu­rierung der Ober­fläche durch einzelne Moleküle – N-hetero­zyklische Carbene – ähnlich wie bei einem Reiß­verschluss erfolgt. Dabei arbeiten mindestens zwei Carben-Moleküle mitein­ander, um die Struktur der Ober­fläche Atom für Atom umzu­sortieren. Die Wissen­schaftler wiesen diese Funktions­weise, bei der die Carben-Moleküle zwei Atom­reihen auf einer Gold­ober­fläche zu einer Reihe zusammen­führen, auch experi­mentell nach.

In früheren Arbeiten hatte das Team bereits gezeigt, dass die Carben-Moleküle stabil sind und sich gut auf Gold-Ober­flächen bewegen. Jedoch konnte bisher keine gezielte Veränderung von Metall­ober­flächen durch die Moleküle nach­ge­wiesen werden. In ihrer aktuellen Studie wiesen die Forscher erstmals nach, dass durch die Zusammen­arbeit der Carben-Moleküle die Struktur der Ober­flächen präzise modi­fi­ziert wird. „Für die weit­reichende Änderung der Ober­flächen­struktur, verhalten sich die Carben-Moleküle wie ein molekularer Schwarm: Sie arbeiten als Gruppe zusammen. Basierend auf dem reiß­verschluss­artigen Prinzip werden die Ober­flächen­atome gezielt umsortiert und nach Abschluss der Umbau­arbeiten können die Moleküle von der Ober­fläche entfernt werden“, erläutert Amirjalayer.

Das neue Verfahren ermöglicht, neue Materialien mit gezielten Eigen­schaften zu entwickeln – ohne makro­sko­pische Werkzeuge. „In der industri­ellen Anwendung werden häufig makro­skopische Werkzeuge, wie beispiels­weise Pressen oder Walzen, verwendet. In der Biologie über­nehmen dagegen diese Aufgaben meist bestimmte Moleküle oder Molekül­klassen. Unsere Arbeit zeigt eine viel­ver­sprechende künst­liche beziehungs­weise synthetisch herge­stellte Molekül­klasse, die einen ähnlichen Ansatz verwendet, um die Ober­fläche zu modi­fi­zieren“, sagt Amirjalayer. Das Forscher­team hofft, dass das Verfahren zukünftig genutzt wird, um neuartige Elektroden zu entwickeln oder chemische Reaktionen an Ober­flächen zu optimieren.

WWU / RK

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