Monde: Entstehung aus Planetenringen?
Neues Szenario könnte Eigenschaften der Trabanten-Systeme von Saturn, Uranus und Neptun erklären.
Planeten entstehen in Gas- und Staubscheiben um junge Sterne – und Monde wiederum in zirkumplanetarischen Scheiben um junge Planeten. Dieses Standard-Szenario kann zwar die großen Begleiter des Planeten Jupiter erklären, liefert aber keine überzeugende Erklärung für die Architektur der Trabantensysteme von Saturn, Uranus und Neptun. Bei diesen drei Planeten findet sich jeweils ein kleiner Mond gerade außerhalb der Roche-Grenze und die Massen der weiteren Monde steigen mit wachsender Entfernung an.
Abb.: Für die Monde der vier großen Planeten des Sonnensystems ist ihr mittlerer Bahnradius logarithmisch aufgetragen, ihre Größe skaliert logarithmisch mit der Masse. Bis auf Jupiter besteht der klare Trend zunehmender Masse mit der Entfernung. Die dünne blaue Linie gibt die Roche-Grenze an. (Bild: F. Durillon, animea)
Aurélien Crida von der Universität Nizza und Olivier Charnoz von der Universität Paris-Sorbonne präsentieren nun ein neues Modell, das diese Architektur von Trabanten-Systemen erklären kann. Danach entstehen die meisten Monde aus massereichen Ringsystemen, die sich durch Dissipation langsam ausbreiten.
Zunächst befinden sich die Ringe vollständig innerhalb der Roche-Grenze. Dort sind die Gezeitenkräfte so stark, dass sie die Entstehung von größeren Körpern verhindern. Sobald die Ringe sich jedoch über die Roche-Grenze hinaus ausbreiten, kann sich aus der Ringmaterie ein erster, noch kleiner Mond bilden. Der Mond wandert durch die Gezeitenkräfte langsam nach außen, während sich an der Roche-Grenze ein neuer, kleiner Mond bildet. Dieser wandert ebenfalls nach außen und verschmilzt mit dem ersten Mond, während bereits ein dritter Mond entsteht.
Abb.: Sukzessive Entstehung eines Systems aus nach außen wandernden Monden (Quelle: A. Crida & S. Charnoz / AAAS)
Auf diese Weise bildet sich sukzessive ein System nach außen wandernder Monde, deren Massen nach außen zunehmen. Der Prozess kommt zum Erliegen, wenn die Masse der Ringe aufgebraucht ist. Crida und Charnoz zeigen, dass ihr Modell die Trabanten-Systeme von Saturn, Uranus und Neptun recht gut reproduzieren kann. Bei Neptun ist die Übereinstimmung sehr gut, bis auf den Mond Despina, dessen Masse vom Modell um einen Faktor 3 zu klein vorhergesagt wird. Das Uranus-System stimmt dagegen zwar global mit dem Modell überein, doch die vier größten Begleiter sind nicht nach ihren Massen geordnet.
Besonders bemerkenswert finden die beiden Forscher, dass auch die acht Saturnmonde von Pandora bis Titan sehr gut mit den Vorhersagen des Modells übereinstimmen. Bei Titan scheint es sich dabei jedoch eher um eine zufällige Koinzidenz zu handeln: Um bis zu seiner derzeitigen Position zu wandern, würde er zehn Milliarden Jahre benötigen, also mehr als doppelt so lange wie das Alter des Sonnensystems.
Abb.: So könnte Uranus' Ringsystem ausgesehen haben, bevor darin seine Monde entstanden. (Bild: F. Durillon, animea)
Das Modell von Crida und Charnoz bieten auch eine Erklärung für die Entstehung eines einzigen größeren Begleiters, wie bei der Erde oder Pluto: Bei kleineren Planeten verläuft die Ausbreitung eines Ringsystems erheblich schneller, so dass sich aus der über die Roche-Grenze strömenden Materie nur ein einziger neuer Körper bilden kann.
Rainer Kayser
Weitere Infos
Weitere Beiträge
OD