Multiferroika erstaunen mit Ungewöhnlichem
Forscher weisen mit neuen Methoden vorhergesagte Eigenschaften bei Terbium-Eisenoxid nach.
Normalerweise ist ein Material entweder magnetisch oder elektrisch polarisierbar, aber niemals beides zugleich. Nun haben Forscher des Niels-Bohr-Institutes an der Universität Kopenhagen ein Material untersucht, das gleichzeitig magnetisch und elektrisch polarisierbar ist. Dies eröffnet neue Möglichkeiten, etwa in zukünftigen Sensoranwendungen.
Abb.: Die Form des „8-armigen Kerzenständers“ beweist, dass sich die Domänenwände des TbFeO3 bei bestimmten Temperaturen abstoßen, was regelmäßige Domänenabstände zur Folge hat. (Bild: Niels-Bohr-Institut)
Russische Forscher haben Multiferroika, also Materialien, in den mindestens zwei ferreoische Phänomene gleichzeitig existieren, bereits in den 1960er Jahren entdeckt. Technologien zur Untersuchung dieser Materialien existierten allerdings zu dieser Zeit nicht. Daher haben sich Forscher erst in den letzten Jahren wieder darauf konzentriert, die Eigenschaften solcher Materialien zu analysieren. Jetzt gibt es Institute, die diese Materialeigenschaften bis zum atomaren Level analysieren können.
Die Wissenschaftler untersuchten die in der Natur vorkommende Seltenerd-Eisenverbindung Terbium-Eisenoxid TbFeO3 mittels Neutronenstrahlung in einem Magnetfeld bei einer Temperatur nahe des absoluten Nullpunktes, nämlich minus 271 Grad Celsius. Kim Lefmann vom Nano-Science Center der Universität Kopenhagen erklärt: „Wir konnten nachweisen, dass die Atome im Material in einer kongruenten Gitterstruktur angeordnet sind, in der die Reihen des Schwermetalls Terbium durch Eisen- und Sauerstoffatome voneinander getrennt sind. Solche Gitter sind bekannt, aber nicht so deren magnetische Domänen. Normalerweise liegen die Domänen ungeordnet durcheinander, in diesem Fall aber liegen sie pfeilgerade im gleichen Abstand zueinander. Wir waren völlig verblüfft, als wir dies sahen.“
Abb.: Im Fall des TbFeO3 ändert sich die Ausrichtung der Spins plötzlich (unten), bei einer Domänengröße von ca. 20 nm liegt hier die Breite der Domänenwand bei wenigen Zehntel Nanometern. Die Abbildung oben zeigt eine sonst übliche breitere Domänenwand, in der sich der Spin schrittweise umorientiert. (Bild: Niels-Bohr-Institut)
Forscher aus den Niederlanden, aus Deutschland, Dändemark und von der European Spallation Source in Lund führten die Experimente mit Hilfe der Neutronenquelle am Helmholtz-Zentrum Berlin durch. Ziel ist das allgemeine Verständnis des Materials auch mittels Berechnungen – eine präzisere Sicht auf die Beziehung zwischen der Materialstruktur und seinen physikalischen Eigenschaften ist jetzt schon möglich.
„Den Modellen nach wechselwirken die Terbiumwände miteinander, indem sie sich Spinwellen zuschicken, die sich über das magnetische Eisengitter ausbreiten. Das Ergebnis ist eine Yukawa-ähnliche Kraft, wie sie schon aus der Kern- und Teilchenphysik bekannt ist. Das Material zeigt in gewisser Weise die gleichen Wechselwirkungskräfte, die die Teilchen innerhalb eines Atomkerns zusammenhalten,“ erklärt Heloisa Bordallo, vom Niels-Bohr-Institut.
Genau diese Wechselwirkung zwischen dem Übergangsmaterial Eisen und dem Seltenerdmetall Terbium spielt eine wichtige Rolle in diesem magneto-elektrischen Material. Die Spinwellen des Terbiums verursachen einen großen Anstieg der elektrischen Polarisation und die Wechselwirkung zwischen den Ionen erzeugt einen der stärksten jemals in einem Material beobachteten magneto-elektrischen Effekte.
Die Forscher betonen, durch diese Ergebnisse einen Weg zur Entdeckung und Entwicklung neuer Multiferroika gefunden zu haben. Jetzt müssten weitere Untersuchungen zeigen, ob dieser neue Effekt zu neuen Anwendungen dieser erstaunlichen Materialien führen kann.
NBI / CT