14.01.2016

Mustergültige Zellgeometrie

Computersimulationen zeigen, wie sich Proteinmuster in Bakterienzellen bilden.

Das gestreifte Fell des Zebras, gebänderte Muschelschalen oder auch die Anordnung reifer Kerne in der Sonnenblume sind Beispiele für natürliche Muster. Auch auf zellulärer Ebene kommt es zur Musterbildung – und diese biologischen Muster sind für viele Lebensvorgänge essenziell: Innerhalb einzelner Zellen legt die Verteilung bestimmter Proteine – das Proteinmuster – beispielsweise fest, an welcher Stelle die Mutterzelle geteilt wird. Wissen­schaftler um Erwin Frey von der Uni München haben nun mithilfe von Computersimulationen untersucht, wie sich solche Proteinmuster in Bakterien­zellen bilden können. Dabei haben sie einen neuen Mechanismus entdeckt, der auf grundlegenden biochemischen Reaktionen beruht und stabile Muster erzeugt.

Abb.: Elektronenmikroskopische Aufnahme von Escherichia coli-Bakterien.(Bild:...
Abb.: Elektronenmikroskopische Aufnahme von Escherichia coli-Bakterien.(Bild: NIAID)

„Wir haben die Musterbildung am Beispiel des stäbchenförmigen Bakteriums Escherichia coli simuliert“, sagt Frey. Die Zellen dieses Bakteriums teilen sich mit erstaunlicher Präzision in der Mitte ihrer Längsachse. Maßgeblich daran beteiligt sind die Min-Proteine MinC, MinD und MinE, die zwischen den beiden Enden der Zelle hin und her strömen. Angetrieben wird der Pendelverkehr von einem komplexen Wechselspiel der beiden Min-Proteine MinD und MinE, in dessen Verlauf Komplexe dieser Proteine an die Zellmembran binden und sich aufgrund spezifischer biochemischer Reaktionen wieder lösen. Das Min-System erzeugt ein bipolares Muster, bei dem die Proteinkonzentration an den Zellpolen höher ist als in der Mitte. Dadurch wird die Teilung in der Nähe der Zellpole verhindert, aber nicht in der Mitte der Zelle.

Die Forscher haben nun ein Modell entwickelt, in dem ein solches bipolares Muster durch ein einziges Protein – AtMinD – erzeugt wird: „Grundlage dafür waren experimentelle Beobachtungen, die zeigten, dass E.coli-Mutanten, in denen MinD und MinE durch das homologe Protein AtMinD aus den Choloro­plasten der Gänserauke ersetzt werden, ebenfalls ein bipolares Muster bilden“, sagt Frey. AtMinD kommt in zwei Formen vor, die beide an die Zell­membran binden können. Die Musterbildung durch AtMinD-Proteine basiert wie bei den Min-Proteinen darauf, dass diese abwechselnd an die Zell­membran binden und sich wieder ablösen, wobei vergleichbare bio­chemische Reaktionen wie beim E. coli Min-System ablaufen.

„In unserem minimalen Modell beruht die Musterbildung auf dem Massen­wirkungs­gesetz und wird durch die unterschiedlichen Membran-Affinitäten der beiden Formen von AtMinD gesteuert. Dabei spielt die Geometrie der Zelle eine große Rolle, wie wir zeigen konnten“, sagt Frey. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein im Zellinneren diffundierendes Protein auf die Zellmembran trifft und an sie binden kann, ist umso größer, je mehr Membranfläche das Protein erreichen kann – bei stäbchenförmigen Bakterien ist das wegen der Krüm­mung der Membran am Stäbchenende in der Nähe der beiden Pole der Fall. Deshalb binden dort die meisten Proteine und es entsteht ein bipolares Muster. Gingen die Wissenschaftler von einer kugelförmigen Zelle aus, verschwand die Polarität. „Im Unterschied zu früheren Theorien setzt das neue Modell nicht voraus, dass Proteine den Grad der Zell­membran­krümmung erkennen, und es müssen auch keine Reaktionsraten angepasst werden“, erklärt Frey. „Damit unterscheidet sich unser Modell ganz grund­legend von dem berühmten Turing-Mechanismus für Musterbildung und hat das Potenzial, eine völlig neue Sichtweise über Musterbildung in biologischen Systemen einzuführen.“

Als nächstes Ziel haben sich die Wissenschaftler vorgenommen, nach weiteren ähnlich einfachen Systemen zu suchen. „Wenn es gelingt, solche Systeme nachzubauen, könnte man verschiedene Minimal-Module zusammenfügen und so Schritt für Schritt diverse wichtige zelluläre Funktionen nachstellen“, so Frey. „Langfristig könnte dies zur Entwicklung einer künstlichen Zelle beitragen, die hilft, komplexe biologische Prozesse besser zu verstehen.“

LMU / RK
 

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