05.06.2013

Mysteriöser Effekt in Hochtemperatursupraleitern geklärt

Neues Modell liefert lange gesuchte Begründung für das Auftreten des Pseudogap-Zustands.

Ein deutsch-französisches Forscherteam hat ein neues Modell aufgestellt, das erklärt, wie sich in Hochtemperatursupraleitern der Pseudogap-Zustand bildet. Die Berechnungen sagen zwei gleichzeitig existierende Elektronenordnungen voraus. Supraleiter verlieren ab einer bestimmten Temperatur ihren elektrischen Widerstand und können Strom verlustfrei leiten. „Es ist nicht auszuschließen, dass die neue ‚Pseudogap-Theorie‘ auch die lang ersehnte Begründung liefert, warum bestimmte keramische Kupferoxidverbindungen im Gegensatz zu herkömmlichen metallischen Supraleitern bei so ungewöhnlich hohen Temperaturen ihren elektrischen Widerstand verlieren“, sagen Konstantin Efetov und Hendrik Meier vom Lehrstuhl für Theoretische Festkörperphysik der RUB. Die Erkenntnisse erzielten sie in enger Kooperation mit Catherine Pépin vom Institut für Theoretische Physik in Saclay bei Paris.

Abb.: An jedem Kupferatom (graue Kugeln) liegt ein Quadrupolmoment vor; in der Summe bilden diese eine Art Schachbrettmuster, wobei sich die einzelnen Quadrate des Schachbretts in der Ausrichtung der positiv und negativ geladenen Bereiche unterscheiden (grün: positive Bereiche links und rechts; grau: positive Bereiche oben und unten). An den Grenzen zwischen grünen und grauen Flächen findet ein Vorzeichenwechsel statt. (Bild: K. Efetov, H. Meier, RUB)

Im supraleitenden Zustand wandern Elektronen als Cooper-Paare durch das Kristallgitter eines Materials. Um eines  aufzubrechen, braucht es eine bestimmte Energiemenge, die Energielücke. In supraleitenden Kupferoxidverbindungen, den Cupraten, tritt eine ähnliche Energielücke unter bestimmten Umständen auch oberhalb der Sprungtemperatur auf – das „Pseudogap“ oder die Pseudoenergielücke, der nur  Elektronen mit bestimmten Geschwindigkeitsrichtungen unterliegen. Das Modell des deutsch-französischen Teams erlaubt jetzt neue Einblicke in das physikalische Innenleben des Pseudogap-Zustands.

Laut Modell beinhaltet der Pseudogap-Zustand gleichzeitig zwei Elektronenordnungen: die d-Wellen-Supraleitung, bei der die Elektronen eines Cooper-Paares in einer Kleeblattform umeinander kreisen, und eine Quadrupoldichtewelle. Bei letzterer handelt es sich um eine spezielle elektrostatische Struktur, bei der an jedem Kupferatom im zweidimensionalen Kristallgitter ein Quadrupolmoment vorliegt – also zwei gegenüberliegende Bereiche negativer Ladung und zwei gegenüberliegende Bereiche positiver Ladung. d-Wellen-Supraleitung und Quadrupoldichtewelle konkurrieren im Pseudogap-Zustand miteinander. Aufgrund thermischer Fluktuationen kann sich keine der beiden Ordnungen durchsetzen. Kühlt man das System jedoch ab, werden die thermischen Fluktuationen schwächer und eine der beiden Ordnungen gewinnt die Oberhand: die Supraleitung. Die kritische Temperatur, bei der das passiert, kann in dem Modell wesentlich höher sein als die Sprungtemperatur von konventionellen metallischen Supraleitern. Das Modell könnte somit erklären, warum die Sprungtemperatur in den keramischen Supraleitern so viel höher liegt.

Die Cuprate können zusätzliche Elemente wie Yttrium und Barium enthalten (YBa2Cu3O7). Damit das Material supraleitend wird, bringen Forscher Elektronenfehlstellen, in das Kristallgitter ein. Durch diese können die Elektronen in Cooper-Paaren „fließen“. Der Pseudogap-Zustand stellt sich nur ein, wenn das Cuprat weder zu wenig noch zu stark lochdotiert ist.

RUB / CT

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