Nachhaltig Teilchen beschleunigen
Neuartiger Beschleunigertyp weist hocheffiziente, mehrstufige Energierückgewinnung auf.
Teilchenbeschleuniger sind ein unverzichtbarer Bestandteil der modernen Forschung. Ihr Einsatzgebiet erstreckt sich von der Teilchenphysik über die Materialforschung bis hin zur Medizin. Doch sie sind auch aufwändige Großgeräte mit einem beeindruckenden Preisschild und hohen Unterhaltungskosten. Nicht zuletzt die Stromrechnung und der damit einhergehende Kohlendioxid-Fußabdruck trüben die Bilanz dieser technischen Wunderwerke ein wenig. Hier könnte eine Idee Abhilfe schaffen, die schon vor Jahrzehnten aufgekommen ist, deren experimentelle Umsetzung allerdings mit zahlreichen Schwierigkeiten verbunden war: Wenn man die in einem Teilchenpuls steckende Energie zumindest zum Teil wieder zurückgewinnen könnte, ließe sich der Energieverbrauch elegant verringern.
Ein Team von Wissenschaftlern an der Cornell University und dem Brookhaven National Laboratory hat nun an ihrem Beschleuniger CBETA (Cornell-BNL Energy Recovery Line Test Accelerator) diese Idee verwirklicht und mutmachende Resultate erzielt. Dieser Beschleuniger läuft zwar bei geringeren Endenergien als die Großanlagen an Beschleunigerzentren, beruht aber auf den gleichen Komponenten. Das stimmt hoffnungsvoll, eine derartige Energie-Rückgewinnung auch bei den kommenden leistungsfähigen und entsprechend stromhungrigen Teilchenbeschleunigern realisieren zu können, um den Energieverbrauch – der einer mittelgroßen Stadt entsprechen kann – zumindest ein Stück weit zu drücken.
CBETA besteht aus mehreren Segmenten: Ein Elektroneninjektor schießt einen noch niederenergetischen Elektronenstrahl in das Linear-Hauptbeschleuniger. Daran schließt sich ein Strahlteiler, der die Elektronenpakete je nach ihrer Energie aufteilen kann. Dann geht der Strahl in die erste Kurve und läuft zurück, um hinter der zweiten Kurve und einem Strahlkombinierer wieder durch den Linear-Hauptbeschleuniger zu laufen. Am Ende des mehrfachen Beschleunigungs- und Entschleunigungsdurchgangs wartet der Strahlfänger.
Die Elektronenpakete kreisten insgesamt acht Mal durch den Beschleuniger. Dabei wurden sie in den ersten vier Durchgängen auf 42, 78, 114 und 150 Megaelektronenvolt beschleunigt, um diese Energie in den folgenden Durchläufen wieder an die supraleitenden Kavitäten abzugeben. Da diese kaum Energieverluste aufweisen, wird die Energie in den elektromagnetischen Feldern dieser Hohlräume gespeichert und kann die neu eingespeisten Elektronenpakete beschleunigen. Auf diese Weise lässt sich der Stromverbrauch deutlich verringern. Der Clou besteht darin, die Phasen und Flugzeiten der Elektronen so genau anzupassen, dass jedes Elektron die Energie an die Beschleunigerstruktur zurückgibt, von der es sie vorher empfangen hat. Auf diese Weise können diese Beschleunigerstrukturen weitere Elektronen beschleunigen, ohne viel externe Leistung zu benötigen. „Wir haben über alle vier Durchgänge Energie zurückgewinnen können“, sagt Georg Hoffstätter von der Cornell University. Damit ist CBETA der erste Linearbeschleuniger mit supraleitenden Kavitäten, an dem dies gelungen ist. Ähnliche Anlagen wie etwa der supraleitende Darmstädter Linearbeschleuniger S-Dalinac konnten zwar bei einem Durchgang Energie aus dem Strahl zurückgewinnen, aber nicht über mehrere. Dieses Rennen hat CBETA nun für sich entschieden.
Dazu mussten die Forscher eine ganze Reihe von Beschleunigerkomponenten optimieren. Neben einer Quelle, die eine saubere Kontrolle über die Elektronenbewegung garantiert, spielten vor allem die Beschleunigerstrecken eine zentrale Rolle. Diese bestanden aus einem supraleitenden Hochleistungs-Linearbeschleuniger mit besonders stabilen und uniformen elektromagnetischen Feldern sowie einem zweiten Linearbeschleuniger mit niedriger Leistung, aber hohen Strömen. Dieser sollte unerwünschte Feldkomponenten absorbieren und die Amplituden und Phasen der Hochfrequenzfelder stabilisieren. Hinzu kamen starke Permanentmagnete hoher Qualität, die es erlauben, mehrere Strahlen in der selben Strahlführung zu kontrollieren. So können die noch in Beschleunigung befindlichen und die abbremsenden Elektronenstrahlen durch das gleiche Strahlrohr sausen.
Dabei gibt es allerdings noch einigen Raum für Verbesserungen. „Wir hatten noch nicht die Zeit, um die Strahlführung durchgehend zu optimieren“, erklärt Hoffstätter. „Deshalb verlieren wir im Augenblick noch etwa die Hälfte der Teilchen vor dem Strahlfänger.“ Um Schäden an der Anlage durch vagabundierende hochenergetische Elektronen zu vermeiden, konnten die Forscher CBETA bislang nur mit sehr kleinen Strömen laufen lassen. Die Effizienz der Maschine ist dennoch beeindruckend: Insgesamt 99,8 Prozent der ursprünglich im Teilchenstrahl befindlichen Energie – der nicht verloren gegangenen Elektronen – ließ sich zurückgewinnen.
Schon beim kommenden Electron Ion Collider am Brookhaven National Laboratory, dem nächsten großen Beschleuniger in den Vereinigten Staaten, soll diese Technologie bei den Hadronen-Kühlern zur Anwendung kommen. „Es wurden aber auch schon ganz andere Anwendungen vorgeschlagen, von der Computerchip-Lithographie bis hin zu Elektron-Positron-Kollidern der höchsten Energie“, sagt Hoffstätter. Ein Vorschlag für einen derartigen Beschleuniger mit Energie-Rückgewinnung entspräche sogar dem riesigen geplanten Future Circular Collider am CERN, würde bei gleicher Luminosität aber nur rund ein Zehntel der Energie verbrauchen. Die Möglichkeiten erstrecken sich also von kleinen bis hin zu sehr großen Teilchenbeschleunigern. Auch für Protonenbeschleuniger käme die Technologie infrage, dafür müsste die Technik entsprechend angepasst werden.
Dirk Eidemüller
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
A. Bartnik et al.: CBETA: First Multipass Superconducting Linear Accelerator with Energy Recovery, Phys. Rev. Lett. 125, 044803 (2020); DOI: 10.1103/PhysRevLett.125.044803 - SRF Group (M. Liepe), Cornell Laboratory for Accelerator-based Sciences and Education, Cornell University, Ithaka, USA
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