31.07.2020

Nachhaltig Teilchen beschleunigen

Neuartiger Beschleunigertyp weist hocheffiziente, mehrstufige Energierückgewinnung auf.

Teilchenbeschleuniger sind ein unverzicht­barer Bestandteil der modernen Forschung. Ihr Einsatzgebiet erstreckt sich von der Teilchenphysik über die Materialforschung bis hin zur Medizin. Doch sie sind auch aufwändige Großgeräte mit einem beein­druckenden Preisschild und hohen Unterhaltungs­kosten. Nicht zuletzt die Stromrechnung und der damit einhergehende Kohlendioxid-Fußabdruck trüben die Bilanz dieser technischen Wunder­werke ein wenig. Hier könnte eine Idee Abhilfe schaffen, die schon vor Jahrzehnten aufgekommen ist, deren experi­mentelle Umsetzung allerdings mit zahlreichen Schwierig­keiten verbunden war: Wenn man die in einem Teilchenpuls steckende Energie zumindest zum Teil wieder zurückgewinnen könnte, ließe sich der Energie­verbrauch elegant verringern.

Abb.: Der Teilchen­beschleuniger CBETA mit Energie-Rück­gewinnung. (Bild: R....
Abb.: Der Teilchen­beschleuniger CBETA mit Energie-Rück­gewinnung. (Bild: R. Michnoff, BNL)

Ein Team von Wissenschaftlern an der Cornell University und dem Brookhaven National Labora­tory hat nun an ihrem Beschleuniger CBETA (Cornell-BNL Energy Recovery Line Test Accelerator) diese Idee verwirklicht und mutmachende Resultate erzielt. Dieser Beschleuniger läuft zwar bei geringeren End­energien als die Großanlagen an Beschleuniger­zentren, beruht aber auf den gleichen Komponenten. Das stimmt hoffnungsvoll, eine derartige Energie-Rück­gewinnung auch bei den kommenden leistungs­fähigen und entsprechend stromhungrigen Teilchen­beschleunigern realisieren zu können, um den Energieverbrauch – der einer mittelgroßen Stadt entsprechen kann – zumindest ein Stück weit zu drücken. 

CBETA besteht aus mehreren Segmenten: Ein Elektroneninjektor schießt einen noch nieder­energetischen Elektronen­strahl in das Linear-Haupt­beschleuniger. Daran schließt sich ein Strahlteiler, der die Elektronenpakete je nach ihrer Energie aufteilen kann. Dann geht der Strahl in die erste Kurve und läuft zurück, um hinter der zweiten Kurve und einem Strahl­kombinierer wieder durch den Linear-Haupt­beschleuniger zu laufen. Am Ende des mehrfachen Beschleunigungs- und Entschleunigungs­durchgangs wartet der Strahlfänger. 

Die Elektronen­pakete kreisten insgesamt acht Mal durch den Beschleuniger. Dabei wurden sie in den ersten vier Durchgängen auf 42, 78, 114 und 150 Mega­elektronenvolt beschleunigt, um diese Energie in den folgenden Durchläufen wieder an die supra­leitenden Kavitäten abzugeben. Da diese kaum Energieverluste aufweisen, wird die Energie in den elektro­magnetischen Feldern dieser Hohlräume gespeichert und kann die neu eingespeisten Elektronen­pakete beschleunigen. Auf diese Weise lässt sich der Stromverbrauch deutlich verringern. Der Clou besteht darin, die Phasen und Flugzeiten der Elektronen so genau anzupassen, dass jedes Elektron die Energie an die Beschleuniger­struktur zurückgibt, von der es sie vorher empfangen hat. Auf diese Weise können diese Beschleuniger­strukturen weitere Elektronen beschleunigen, ohne viel externe Leistung zu benötigen. „Wir haben über alle vier Durchgänge Energie zurück­gewinnen können“, sagt Georg Hoffstätter von der Cornell University. Damit ist CBETA der erste Linear­beschleuniger mit supra­leitenden Kavitäten, an dem dies gelungen ist. Ähnliche Anlagen wie etwa der supraleitende Darmstädter Linear­beschleuniger S-Dalinac konnten zwar bei einem Durchgang Energie aus dem Strahl zurück­gewinnen, aber nicht über mehrere. Dieses Rennen hat CBETA nun für sich entschieden. 

Dazu mussten die Forscher eine ganze Reihe von Beschleuniger­komponenten optimieren. Neben einer Quelle, die eine saubere Kontrolle über die Elektronen­bewegung garantiert, spielten vor allem die Beschleuniger­strecken eine zentrale Rolle. Diese bestanden aus einem supra­leitenden Hochleistungs-Linear­beschleuniger mit besonders stabilen und uniformen elektro­magnetischen Feldern sowie einem zweiten Linear­beschleuniger mit niedriger Leistung, aber hohen Strömen. Dieser sollte unerwünschte Feld­komponenten absorbieren und die Amplituden und Phasen der Hochfrequenz­felder stabilisieren. Hinzu kamen starke Permanent­magnete hoher Qualität, die es erlauben, mehrere Strahlen in der selben Strahlführung zu kontrollieren. So können die noch in Beschleunigung befindlichen und die abbremsenden Elektronen­strahlen durch das gleiche Strahlrohr sausen.

Dabei gibt es allerdings noch einigen Raum für Verbesserungen. „Wir hatten noch nicht die Zeit, um die Strahl­führung durchgehend zu optimieren“, erklärt Hoffstätter. „Deshalb verlieren wir im Augenblick noch etwa die Hälfte der Teilchen vor dem Strahlfänger.“ Um Schäden an der Anlage durch vaga­bundierende hoch­energetische Elektronen zu vermeiden, konnten die Forscher CBETA bislang nur mit sehr kleinen Strömen laufen lassen. Die Effizienz der Maschine ist dennoch beeindruckend: Insgesamt 99,8 Prozent der ursprünglich im Teilchen­strahl befindlichen Energie – der nicht verloren gegangenen Elektronen – ließ sich zurückgewinnen.

Schon beim kommenden Electron Ion Collider am Brookhaven National Labora­tory, dem nächsten großen Beschleuniger in den Vereinigten Staaten, soll diese Technologie bei den Hadronen-Kühlern zur Anwendung kommen. „Es wurden aber auch schon ganz andere Anwendungen vorgeschlagen, von der Computerchip-Litho­graphie bis hin zu Elektron-Positron-Kollidern der höchsten Energie“, sagt Hoffstätter. Ein Vorschlag für einen derartigen Beschleuniger mit Energie-Rück­gewinnung entspräche sogar dem riesigen geplanten Future Circular Collider am CERN, würde bei gleicher Lumino­sität aber nur rund ein Zehntel der Energie verbrauchen. Die Möglich­keiten erstrecken sich also von kleinen bis hin zu sehr großen Teilchen­beschleunigern. Auch für Protonen­beschleuniger käme die Techno­logie infrage, dafür müsste die Technik entsprechend angepasst werden.

Dirk Eidemüller

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