Namensgeber und Gegner des Big Bang
Vor hundert Jahren wurde der theoretische Astrophysiker Fred Hoyle geboren.
Anne Hardy
Als der theoretische Astrophysiker Fred Hoyle starb, würdigte ihn der Herausgeber von „nature“ als einen der einfallsreichsten Köpfe und scheute nicht den Vergleich mit Leonardo da Vinci. Hoyle hatte gewichtige Beiträge zur Astronomie geleistet, war ein brillanter Popularisierer und schrieb etliche Science Fiction Romane. „Aber er hat seinen Namen auch mit viel Bockmist verbunden und war fast sein Leben lang in Kontroversen verwickelt“, schrieb John Maddox in seinem Nachruf.
Seine wohl wichtigste Arbeit zur Entstehung der chemischen Elemente in den Sternen publizierte Hoyle 1957 mit dem Kernphysiker William Fowler. Dass nur Fowler dafür 1983 mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet wurde, irritierte viele Fachkollegen, denn Hoyle galt in dem Team als der führende Kopf. Andere wiederum hielten die Entscheidung des Nobelkomitees für gerechtfertigt, weil der eigenbrötlerische Hoyle durch seine zänkische Art und sein starrsinniges Festhalten an fragwürdigen Evolutionstheorien das Ansehen des Nobelpreises beschädigt hätte.
Fred Hoyle wurde von 100 Jahren, am 24. Juni 1915, in der englischen Grafschaft Yorkshire als Sohn eines Wollhändlers geboren. Er war ein überdurchschnittlich begabtes Kind, das die Schule schwänzte und ins Kino ging, wo seine Mutter als Pianistin die Stummfilme begleitete.
Der junge Fred übersprang mehrere Klassen und erhielt 1933 ein Stipendium an der Universität Cambridge, wo er Mathematik studierte. Das Studienangebot beinhaltete zu dieser Zeit auch einen großen Anteil an theoretischer Physik. So hatte Fred Hoyle die Gelegenheit, mit dem deutschen Emigranten Rudolf Peierls über den radioaktiven Beta-Zerfall zu forschen. Peierls war als Schüler von Sommerfeld, Heisenberg und Pauli ein Vertreter der modernen Physik. Und er verschaffte Hoyle Zutritt zu dem Seminar in theoretischer Physik am Cavendish Laboratorium, an dem illustre Forscher wie Paul Dirac teilnahmen.
Nach Peierls Weggang überredete Hoyle den ebenso schüchternen wie genialen Dirac, sein Mentor zu werden. Selbstbewusst versicherte er, eine Betreuung wäre nicht notwendig. Und tatsächlich publizierte er schon wenig später mit Ray Lyttleton eine Arbeit, in der er zeigte, wie man die Luminosität der Sterne aus ihrer Masse berechnen kann.
Als Hoyle während des Zweiten Weltkriegs für die britische Admiralität in der Radar-Forschung arbeitete, lernte er den Mathematiker Hermann Bondi und den Astrophysiker Thomas Gold kennen. Mit den beiden aus Wien stammenden Emigranten führte er intensive Gespräche über den Ursprung des Universums. Da die Radar-Forschung ihm mehrfach Aufenthalte in den Vereinigten Staaten bescherte, nutzte er die Gelegenheit zum Kontakt mit den dortigen Astronomen. Am Caltech und am Mount Palomar Observatorium erfuhr er erstmals von Supernovae; in Kanada hörte er von der Kernphysik der Plutonium-Explosion und -Implosion. Hoyle beschloss, beide Wissensgebiete zu kombinieren, um zu erklären, wie die Elemente schwerer als Helium in den Sternen entstehen. Seine erste Arbeit, in der er die erhöhte Häufigkeit des Eisens erklärte, erschien 1946.
Nach dem Krieg kehrte Hoyle als „lecturer“ an die Universität Cambridge zurück und wurde dort zu einem der weltweit führenden Köpfe der theoretischen Astrophysik. Im Gegensatz zur Urknall-Theorie vertrat Hoyle die von Bondi und Gold stammende „Steady State-Theorie“. Sie ging davon aus, dass das Universum sich seit jeher in konstanter Expansion befindet und dass diese durch die ständige Entstehung von Materie angetrieben wird. Den Begriff „Big Bang“ prägte Hoyle in einer BBC-Radiosendung. Zwar gab die Messung der kosmischen Hintergrundstrahlung den Vertretern der Urknall-Theorie recht, aber sie konnte nicht erklären, wie die Elemente während der ersten Sekunden entstanden sein sollten.
Aber auch Fred Hoyles Theorie der Nukleosynthese, die er in die Steady State-Theorie eingebaut hatte, enthielt eine bis dahin nicht bewiesene Annahme: Damit schwerere Elemente in den Sternen entstehen konnten, musste das C-12-Isotop in einem Energiezustand existieren, den bis dahin niemand beobachtet hatte. Hoyle argumentierte jedoch, es müsse diesen 7,65 MeV-Zustand geben, weil es sonst keinen Kohlenstoff und folglich auch keine Menschen gäbe. Hoyle überredete den amerikanischen Kernphysiker William Fowler am Caltech, nach dem Zustand zu suchen, und seine kühne Vorhersage erwies sich als richtig.
Gemeinsam mit dem Astronomen-Ehepaar Margaret und Geoffry Burbidge arbeiteten die beiden ihre Ideen aus und veröffentlichten sie 1957 in Review of Modern Physics unter dem Titel: „Synthesis of the Elements in Stars“. Darin stellten sie auch Überlegungen zur Entstehung schwerer Elemente durch Neutronen-Einfang an. Nach den Anfangsbuchstaben ihrer Autoren benannt, wurde die B2FH-Theorie fortan die Standard-Referenz für Publikationen zur Nukleosynthese in den Sternen.
Hoyles akademische Karriere gab das Auftrieb: 1957 wurde er zum Mitglied der Royal Society gewählt, ein Jahr später erhielt er die renommierte Plumian Professur für Astronomie und experimentelle Philosophie in Cambridge, die vor ihm schon Sir Arthur Eddington bekleidet hatte. Hoyles Wunsch, ein Institut für Astronomie zu gründen, wurde jedoch erst Jahre später entsprochen, unter anderem, nachdem Hoyle mit seinem Rücktritt gedroht hatte. Das 1967 gegründete Institute of Theoretical Astronomy (IoTA) avancierte unter seiner Leitung zu einem weltweit profilierten Institut.
Als 1972 die Förderung des IoTA durch die Nuttfield Foundation auslief, plante die Universität Cambridge, das Institut zusammen mit den Observatorien zum Institute for Astronomy zu fusionieren. Doch als Donald Lynden-Bell zu dessen neuem Leiter ernannt wurde, vermutete Hoyle, dass gegen ihn intrigiert wurde und legte seine Professur zum Sommer 1973 nieder.
Er war 58 Jahre und ohne Einkommen. Zwei Jahre hielt er Vorlesungen in den Vereinigten Staaten, 1975 kam er an die Universität Cardiff – auf eine Stelle als „Visiting Professor". Sie war von Chandra Wickramasinghe gesponsert, mit der er seine kontroverse Evolutionstheorie publizierte, der zufolge das Leben im All entstanden und vor dort aus auf die Erde gekommen war. Ebenso vertrat er die Ansicht, die Evolution auf der Erde werde durch Viren vorangetrieben, die von Kometen zu uns transportiert würden. Des Weiteren diskreditierte sich Hoyle bei Fachleuten, indem er die Echtheit der Fossilien des „Urvogels“ Archaeopteryx anzweifelte.
Seinen Lebensabend verbrachte Hoyle im Lake District, wo er sich vor allem dem Schreiben widmete. Er verfasste allein 19 Science Fiction Romane, viele davon mit seinem Sohn John Elliot. Er starb 86-jährig im August 2001.