Nano-Booster für das Lichtfeld
Speziell geformte photonische Kristalle könnten über Kerr-Effekt einzelne Photonen wechselwirken lassen.
Es ist ein alter Grundsatz der Optik: Lichtwellen durchdringen sich wechselseitig, ohne einander zu beeinflussen. Nur unter speziellen Bedingungen lässt sich dieses Gesetz aufheben: Entweder wenn quantenelektrodynamische Effekte ins Spiel kommen und sich bei extrem starken Feldern die Nichtlinearität der Quantenelektrodynamik spürbar macht. Oder wenn etwa beim Kerr-Effekt ein Lichtstrahl die Eigenschaften eines Materials stark genug beeinflusst, um den Brechungsindex des Materials ändern zu können und somit einem zweiten Lichtstrahl seine Information aufzuprägen. Auch hier müssen die Felder allerdings intensiv genug sein, um einen nennenswerten Effekt hervorrufen zu können, weshalb man hierfür normalerweise starke Laserstrahlen einsetzt.
Abb.: Photonischer Kristall mit zentraler Brücke in einem Siliziumblock. (Bild: H. Choi et al., MIT / NPG)
Für die Quanteninformationsverarbeitung hoffen Wissenschaftler jedoch, möglichst schwache Felder – im Extremfall sogar nur einzelne Photonen – miteinander wechselwirken zu lassen. Da jedes Photon im Prinzip ein Quantenbit an Information tragen kann, würden damit logische Gatter und ähnliche Verknüpfungen möglich. Bislang konzentriert sich die Forschung an solchen Einzel-Photon-Gattern vor allem auf exotische Materialien wie Bose-Einstein-Kondensate, die allerdings sehr empfindlich sind und nur bei Temperaturen knapp über dem absoluten Nullpunkt existieren. Ein Forscherteam um Dirk Englund vom Massachusetts Institute of Technology haben nun jedoch anhand von Berechnungen und Simulationen herausgefunden, wie sich theoretisch auch in gewöhnlichen Materialien solches Verhalten realisieren lässt.
Hyongrak Choi, Mikkel Heuck und Dirk Englund vom Quantum Photonics Laboratory am MIT untersuchten hierzu verschiedene Geometrien photonischer Kristalle, wie sie auch andere Forschergruppen bisher vorgeschlagen hatten. In einem photonischen Kristall lässt sich für kurze Zeit Licht speichern. Hierzu dient etwa ein dünner Quader aus Silizium von wenigen Mikrometern Länge, in den in regelmäßigen Abständen kleine Löcher gefräst sind. Lässt man das zentrale Loch aus, konzentriert sich hier das elektromagnetische Feld – eine Falle für Licht. Dieser zentrale Lichtspeicher lässt sich allerdings noch „tunen“, indem man etwa die beiden Löcher links und rechts davon durch einen schmalen Kanal von wenigen Nanometern Dicke verbindet. Aufgrund der unterschiedlichen elektromagnetischen Eigenschaften von Luft und Silizium steigt die Stärke des elektrischen Feldes hierdurch um rund eine Größenordnung.
Das Forscherteam setzt hier nun noch einen drauf: Laut ihren Berechnungen lässt sich der Verstärkungsfaktor durch Ausnutzung geschickter Geometrien nochmals vervielfachen. Indem sie die elektrische Feldkomponente nicht senkrecht – wie frühere Forschergruppen – zum Material führen, sondern parallel zu ihm, können sie weitere Randbedingungen ausnutzen und das elektrische Feld nochmals verstärken. So erhöht eine rechteckige Verengung auf wenige Nanometer im zentralen Bereich das Feld um rund eine weitere Größenordnung.
„Mit unserem Design stellen wir ein neues Prinzip zur Wechselwirkung von Licht und Materie vor“, sagt Choi. Das Interessante an diesem Aufbau: Der Prozess lässt sich auch iterieren und die Verbindung in zunehmend kleinere Lücken und Brücken aufteilen, wobei sich auf jeder Wiederholungsstufe die elektrische Feldstärke erhöhen sollte. Auch wenn sich dies im Prinzip beliebig oft durchführen lassen sollte, werden allerdings im Nano- und spätestens im Subnanometerbereich die Materialeigenschaften und die Möglichkeiten zu seiner Bearbeitung Grenzen setzen.
Die Simulationen der Forscher bestätigen jedoch die theoretischen Berechnungen. Die Wissenschaftler nutzten hierzu sowohl Finite-Elemente-Methoden als auch FDTD- (finite-difference time-domain) Simulationen. Interessanterweise lieferten die schnellen, zweidimensionalen Finite-Elemente-Berechnungen sehr ähnliche Resultate wie die sehr viel aufwändigeren und um Größenordnungen langsameren dreidimensionalen FDTD-Simulationen. In Summe erscheint aber eine Verstärkung um mehrere Größenordnungen möglich.
„Dies könnte extrem starke Wechselwirkungen von Licht und Materie in dieser Struktur möglich machen, bis hin zu Einzel-Photonen-Nichtlinearitäten in einem dielektrischen Medium“, ergänzt Choi. Solche Ein-Photon-Gatter wären natürlich insbesondere für Quantencomputer und die Quanteninformationsverarbeitung von hohem Interesse. Denn im Gegensatz zu anderen Ansätzen für solche Gatter wie etwa Bose-Einstein-Kondensate wären hierfür keine außergewöhnlichen physikalischen Bedingungen notwendig. Auch wenn die Produktion von Nanometer-Strukturen in Silizium spezielle lithographische und Ätz-Verfahren erfordert, besäße ein solcher photonischer Kristall den großen Vorteil, seine Fähigkeiten auch bei Raumtemperatur ausspielen zu können. Außerdem ist die Verstärkung des Lichtfeldes nicht auf Quanteneffekte beschränkt, sondern ließe sich auch für klassische Zwecke ausnutzen.
Dirk Eidemüller
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