Nanohebel messen transversalen Lichtdruck
Experiment weist erstmals spinabhängige Komponente im Lichtfeld nach.
Schon Johannes Kepler hatte vermutet, das Licht der Sonne übe einen Druck auf den Schweif von Kometen aus. Das würde erklären, warum die Kometenschweife sich stets von der Sonne wegbewegen. Mit den Arbeiten vieler anderer herausragender Forscher – von Huygens über Newton, Euler, Maxwell bis zu Poynting – hat sich dann der Begriff des Strahlungsdrucks etabliert, der in Normalrichtung zur Wellenfront wirkt. Dieser Strahlungsdruck beruht auf dem Impuls der Photonen. Wie der niederländische Quantentheoretiker Frederik Jozef Belinfante 1940 herausfand, besitzt das Lichtfeld aber auch noch eine transversale Komponente, die vom Spin abhängt. Die Begründung für diesen seitlichen Lichtdruck liegt in relativistischen, quantenfeldtheoretischen Rechnungen zum Spannungs-
Abb.: Aufbau des Experiments von oben. (Bild: C. Bermingham, U. Bristol)
Diese seitliche Komponente ist um Größenordnungen schwächer als der normale Lichtdruck und tritt in allen strukturierten elektromagnetischen Feldern auf, die nicht einfach nur eine ebene, homogene Welle darstellen. Zunächst als virtueller Beitrag zum Lichtfeld betrachtet, sollte diese Komponente aber prinzipiell doch messbar sein. Ein internationales Forscherteam hat jetzt neue technologische Entwicklungen in der Rasterkraftmikroskopie genutzt, um den transversalen Lichtdruck zu messen. „Der ungewöhnliche Aspekt bei dieser Wechselwirkung liegt darin, dass diese Komponente senkrecht zur Ausbreitungsrichtung des Lichts wirkt und seine Orientierung sich abhängig von der Händigkeit der zirkularen Polarisation ändert”, sagt Massimo Antognozzi von der University of Bristol.
Wie Theoretiker des japanischen Forschungszentrums RIKEN im Jahr 2014 herausfanden, tritt die transversale Komponente insbesondere in evaneszenten Lichtfeldern auf, wie sie sich hinter einer totalreflektierenden Oberfläche ausbilden. Auch bei einer Totalreflexion verschwindet das elektromagnetische Feld nicht sofort an der Grenzfläche, sondern fällt rasch ab. In diesem strukturierten Lichtfeld sollte die transversale Komponente mit neuen Techniken messbar sein.
Dazu nutzten Antognozzi und seine Kollegen extrem sensible Nanohebel, die sich mit einer typischen Steifigkeit zwischen 10-6 N/m und 10-5 N/m und einer Kraftauflösung im Bereich von Femtonewton hervorragend für solche Messungen eignen. Damit lässt sich etwa das Gewicht einzelner Bakterien messen. In Bristol stellt inzwischen ein neues Startup-
Abb.: Das evanszente Lichtfeld hinter einer totalreflektierenden Oberfläche besitzt eine schwache Transversal-
Die Forscher vermaßen mit den Nanohebeln das Lichtfeld hinter einer totalreflektierenden Oberfläche. Dabei stellte sich den Forschern jedoch das Problem, die verschiedenen Komponenten des Lichts auseinanderzuhalten – insbesondere, da auch die neuen Nanohebel nicht perfekt nur in einer Richtung maßen, sondern stets auch andere Komponenten drohten, das Ergebnis zu verfälschen. „Ein bedeutendes Problem war der große Unterschied zwischen den drei Komponente des Impulses: die vertikale Gradientenkraft, der longitudinale Strahlungsdruck und die extrem schwache transversale, spinabhängige Komponente”, so Antognozzi.
Das Lichtfeld erzeugten die Forscher mit Hilfe eines roten Lasers von 660 Nanometern Wellenlänge, das sie durch eine Viertelwellenplatte schickten, um die nötige Polarisation zu erzeugen. Hinter einer totalreflektierenden Glas-
Damit ist nicht nur eine fundamentale Eigenschaft des Lichtfelds erstmals experimentell bestimmt. Die Wissenschaftler hoffen, in Zukunft mit ihren extrem empfindlichen Techniken auch andere nanoskaligen Anwendungen erforschen zu können, bei denen die Komplexität und die Richtungsabhängigkeit des Lichtfelds konventionelle Methoden unmöglich machen. Hierzu gehört etwa die Charakterisierung von Lichtfeldern über Nanostrukturen oder dünnen Filmen – insbesondere, wenn Chiralität eine Rolle spielt. Aber auch plasmonische Anwendungen könnten sich nach Ansicht der Forscher als interessantes Gebiet erweisen. Nicht zuletzt für die Optomechanik erhoffen die Forscher neue Möglichkeiten. Angesichts der Schwäche des nun nachgewiesenen Effekts ist allerdings noch etwas unklar, wie er sich nutzen lassen könnte, ohne vom normalen Strahlungsdruck völlig überlagert zu werden. Vielleicht ließe sich der Effekt in speziell strukturierten Lichtfeldern ja maximieren.
Dirk Eidemüller
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RK