Nanokeramik – extrem leicht und verformbar
Filigranes Netzwerk aus Aluminiumoxid vereint widersprüchliche Eigenschaften.
Keramiken sind resistent gegen Hitze und Chemikalien, zerbrechen aber meist leicht und lassen sich kaum verformen. Bei einer neuartigen Nanokeramik aus Aluminiumoxid haben Wissenschaftler aus den USA diese Nachteile beseitigt. Mit einem filigranen Netzwerk aus hohlen Nanoröhren schufen sie eine Art Metamaterial, das sich unter Druck um etwa die Hälfte stauchen lässt. Ohne Belastung dehnt es sich wieder bis zum Erreichen der ursprünglichen Struktur aus.
Abb.: Unter dem Mikroskop ist die dreidimensionale Struktur der stauchbaren Nanokeramik aus Aluminiumoxid deutlich erkennbar. (Bild: Caltech)
„Unser Ziel war es, ein Material mit zuvor unvereinbaren Eigenschaften zu entwickeln“, sagt Lucas Meza vom Caltech. Mit seinen Kollegen formte er zuerst ein Kunststoffgerüst, das mit Lasern über die Zwei-Photonen-Lithografie ausgehärtet wurde. Auf dieses Gerüst deponierten die Forscher mit einem ausgefeilten Abscheidungsverfahren extrem dünne Schichten aus Aluminiumoxid. Überstehende Reste beseitigten sie mit einem Ionenstrahl, das Kunststoffgerüst mit einem Ätzprozess in einem Sauerstoff-Plasma.
Mit dieser Methode fertigten Meza und Kollegen zahlreiche symmetrisch aufgebaute, dreidimensionale Gitterstrukturen. Die Wandstärke der miteinander vernetzten Metalloxidröhrchen variierte dabei zwischen 5 und 60 Nanometern. Damit schwankte die Dichte der Nanokeramik zwischen 6,3 und 258 Kilogramm pro Kubikmeter. Die Forscher testeten dann alle Keramiken auf ihre Verformbarkeit unter Druck. Testkörper mit einer Wandstärke von nur zehn Nanometern ließen sich mit bis zu 1,2 Megapascal Druck langsam auf die Hälfte zusammenstauchen. Ohne Druck faltete sich die Keramik zur ursprünglichen Form ohne nennenswerte Schäden wieder aus. Je dicker die Wandstärken jedoch waren, desto eher zerbrachen die Keramiken.
Obwohl diese Nanokeramiken noch allererste Prototypen darstellen, können sich die Wissenschaftler bereits Anwendungen vorstellen. „Von Batterien über Solarzellen bis zu Hitzeschilden schränken Risse und Brüche in verwendeten Keramiken die lange Haltbarkeit stark ein“, sagt Meza. Genau für solche Anwendungen könnten verformbare Nanokeramiken daher interessant sein. Zuvor müssten jedoch die Fertigungsverfahren an eine einfachere und günstigere Massenproduktion angepasst werden.
Vernetzte Nanostrukturen sind aber nicht die einzigen Kandidaten für stabilere Keramiken. So arbeiteten vor einigen Jahren Materialforscher am Lawrence Berkeley National Laboratory mit Hydroxyapatit, einer Kalziumphosphatverbindung, die einen großen Bestandteil von Knochen und Zähnen ausmacht. Bei normalen Herstellungsverfahren bildet es wie andere Keramiken harte, feste Bauteile, die jedoch sehr brüchig sind. Tomsia und Kollegen mischten das Hydroxyapatit in Wasser und senkten zunächst die Temperaturen. Auf diese Weise kopierten die Forscher den schichtweisen Aufbau von Muschelschalen: Viele dünne Schichten unterschiedlicher Größenordnung fügten sich so zusammen, dass sie die Energie von Druck und Schlag flexibel ableiten konnten. Beim Gefrieren des Wassers, in das das Hydroxyapatit-Pulver gemischt war, fingen sich die Keramikpartikel wie gewünscht zwischen den wachsenden Eiskristallen und bildeten die Grundstruktur des neuen Materials. Im zweiten Schritt verdampften die Forscher dann das Eis und erhielten ein poröses Material mit der Struktur der Eiskristall-Schichten. Die Lücken füllten sie schließlich mit Metall oder organischem Polymer auf. Ergebnis: eine dichtes, hartes und starkes Kompositmaterial, für das sich die Dicke und Zahl der Schichten gezielt steuern ließ.
Jan Oliver Löfken