04.04.2017

Nanoplättchen statt Quantenpunkte

Neue Materialklasse bietet Potenzial für effiziente Lichtquellen und Solarzellen.

Die Wissen­schaft erforscht seit den 1980er Jahren farbig leuchtende Quanten­punkte und mittler­weile sind diese Nano­kristalle auch im Alltag angekommen. Die Elektronik­industrie setzt solche in LCD-Fernsehern ein, um die Farb­wiedergabe und damit die Bild­qualität stark zu verbessern. Quanten­punkte sind kugel­förmige Nano­kristalle aus Halbleiter­material. Werden diese Kristalle mit Licht angeregt, leuchten sie grün oder rot – je nach ihrer Größe, die zwischen zwei und acht Nano­metern liegt. Die kugeligen Formen lassen sich sehr kontrol­liert erzeugen.

Abb.: Künstlerische Darstellung der nur wenige Atomschichten dicken Nanoplättchen. (Bild: L. A. Kaye / ETHZ)

Vor wenigen Jahren tauchte mehr oder weniger zufällig eine neue Art von Nano­kristallen auf dem Radar der Forscher auf: Nano­plättchen. Diese zwei­dimensionalen Strukturen sind wie Quanten­punkte nur wenige Nanometer gross, aber von einheit­licher flächiger recht­eckiger Form. Sie sind extrem dünn, oft nur wenige Atom­schichten dick. Diesem Umstand verdanken die Plättchen eine ihrer auffäl­ligsten Eigen­schaften: ihr Leuchten ist extrem rein. Bis jetzt rätsel­haft war jedoch, wie die Plättchen entstehen und welche Gesetz­mäßigkeiten dahinter stehen. David Norris und sein Team an der ETH Zürich haben das Geheimnis nun gelüftet: „Wir wissen nun, dass es keine magische Formel gibt, um Nano­plättchen zu erzeugen“, betont der Professor für Material­technik. Die Forscher zeigten nun anhand von Cadmium­selenid-Nano­plättchen auf, wie diese ihre spezielle flache Form erreichen.

Bislang ging die Forschung davon aus, dass es für dieses pass­genaue Wachstum eine Art Formv­orlage brauchte. Wissen­schaftler vermuteten eine Art Schablone, die durch Mischung spezieller Ausgangs­verbindungen und Lösungs­mitteln entsteht, in welchen sie diese flachen Nano­kristalle erzeugten. Norris und Kollegen konnten jedoch in Experi­menten keinen Einfluss solcher Form­vorlagen nachweisen – im Gegenteil: Die Plättchen können in einfachen Schmelzen der Ausgangs­stoffe Cadmium­carboxylat und Selen gänzlich ohne Lösungs­mittel wachsen.

Aus dieser Erkenntnis entwickel­ten die Forscher ein theo­retisches Modell, mit dem sie das Wachstum der Plättchen simu­lierten. Dank dieses Modelles zeigen die Wissen­schaftler, dass sich zuerst spontan ein Kristallisa­tionskern aus wenigen Cadmium- und Selen­atomen bildet. Dieser Kristalli­sationskern kann sich wieder auflösen und anders formieren. Hat er jedoch eine kritische Größe überstiegen, wächst er schließlich zum Plättchen aus. Aus energe­tischen Gründen wächst der flache Kristall nur an seiner Schmalseite, und zwar um bis zum Tausend­fachen schneller als auf seiner Fläche. Auf dieser Seite ist das Wachstum wesentlich langsamer weil dort mehr mangel­haft gebundene Atome an der Ober­fläche vorhanden sind. Um diese zu stabilisieren wird Energie benötigt.

Zudem konnten die Forscher ihr Modell auch experi­mentell bestätigen, indem sie im Labor Nano­plättchen aus Katzen­gold (Pyrit, FeS2) her­stellten. Diese Plättchen ließen sich exakt anhand der Modell­vorhersage mit den Ausgangs­stoffen Eisen- und Schwefel­ionen erzeugen. „Dass wir solche Kristalle erstmals auch aus Katzen­gold schaffen konnten, ist sehr interessant“, findet Norris. „Das hat uns gezeigt, dass wir unsere Forschung auf weitere Materialien ausdehnen können.“ Cadmium­selenid gilt zwar als das best­bekannte Halbleiter­material, mit dem solche Nano­kristalle bisher erforscht wurden. Aller­dings ist es hochgiftig und daher für den Alltags­einsatz nicht brauchbar. Ein Ziel der Forscher ist es deshalb, Nano­plättchen aus weniger giftigen oder ungif­tigen Substanzen zu erzeugen.

Über das Potenzial der Nano­plättchen kann Norris derzeit nur speku­lieren. Sie seien eine interes­sante Alter­native zu Quanten­punkten, da sie gegenüber diesen mehrere Vorteile böten, sagt er. So können sie Farben wie Grün besser und leuchtender erzeugen. Auch übertragen sie effi­zienter Energie, was sie für den Einsatz in Solar­zellen prädes­tinieren würde. Und auch für Laser wären solche Plättchen geeignet.

Sie haben aber auch Nachteile. Bei Quanten­punkten lässt sich beispiels­weise die Farbe stufenlos einstellen, indem Kristalle verschiedener Größe erzeugt werden. Nicht so bei Plättchen. Deren Farbe ist aufgrund der Schichtung der Atom­lagen nur stufen­weise ver­schiebbar. Diese Einschränkung lässt sich aber mit bestimmten Tricks mildern: Die Wellen­länge des von den Plättchen abgegebenen Lichts lässt sich durch Ver­kapselung in ein anderes Halbleiter­material feiner einstellen.

„Nur die Zeit wird es zeigen, ob sich das Interesse der Bild­schirm-Industrie für unsere Entdeckung wecken lässt“, sagt Norris. Einige Firmen setzen zurzeit orga­nische LED ein, andere verwenden Quanten­punkte. Wohin die Techno­logie sich entwickelt, ist unklar. Die neuen Ergebnisse legen jedoch eine wichtige Basis, um eine breite Palette von Nano­plättchen-Materialien untersuchen zu können. „Dies könnte Halb­leiter-Nano­kristallen in Zukunft einen wesent­lichen Vorteil verschaffen“, so Norris.

ETHZ / JOL

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