08.12.2005

Netzwerke für Quanteninformation

Atomwolken und Photonen können Quantenbits - kurz Qubits - speichern und übertragen.




Atomwolken und Photonen können Quantenbits - kurz Qubits - speichern und übertragen.

Cambridge/Atlanta (USA) - Der Wettlauf zum ersten Quantencomputer nimmt an Tempo zu. Erst letzte Woche präsentierten Physiker aus Innsbruck das weltweit erste Quantenbyte, nun legen drei amerikanischen Forschergruppen mit ihren Berichten in der Zeitschrift "Nature" nach mit den Grundlagen für eine effektive Übertragung einzelner Quantenbits, kurz Qubits. Mit den Atomen könnte in Zukunft gerechnet und gespeichert werden, mit den Photonen sollen die Quantendaten über weite Strecken geleitet werden können.

"Der kontrollierte Transfer von einzelnen Qubits zwischen Quantenspeichern ist ein wichtiger Schritt hin zu verbreiteten Quantennetzwerken", sagt Alex Kuzmich vom Georgia Institute of Technology in Atlanta. Als Speicher für die Quanteninformation dienten seiner Arbeitsgruppe einzelne Wolken aus Rubidium-Atomen. Eingefangen mit Lasern und Magnetfeldern realisierte Kuzmich einzelne Qubits. Diese auf minus 273 Grad Celsius abgekühlte Atomwolke wird durch Laser angeregt.

Etwa alle fünf Sekunden sendete die Wolke in Resonanz ein Photon aus, das die Quanteninformation des zuvor angeregten Zustands der Atome mit sich trug. Über einen 100 Meter langen Lichtleiter gelangte das Photon zu einer zweiten Atomwolke. Über Laserstrahlen kontrolliert stoppte das Photon in dieser Wolke und übertrug seinen Quantenzustand wieder auf die Atome. Nach einer Speicherzeit von etwa 500 Nanosekunden konnte abermals die Aussendung eines Photons beobachtet werden. Dieses trug ebenfalls die ursprüngliche Quanteninformation, wie eine Messung mit einem Ein-PhotonenDetektor zeigte. Dieser Aufbau entspricht einem Verstärker, der die Signalstärke eines zu übertragenden Qubit in regelmäßigen Abständen verbessern kann.

Ein vergleichbares Experiment gelang auch den Forschern um Matthew Eisaman von der Harvard University in Cambridge. Auch sie nutzten angeregte Rubidium-Atome als Qubit und Photonen übertrugen die Quanteninformation auf ein weiteres Atom-Ensemble. Der Clou in diesem Vorgang liegt darin, dass die Überlagerung angeregter Zustände von räumlich getrennten Qubits erhalten blieb. Nur wenn diese so genannte Verschränkung vorherrscht, kann ein Qubit gleichzeitig nicht nur die "0" und "1" entsprechenden Werte, sondern auch alle Zustände dazwischen einnehmen. Diese in der klassischen Physik nicht erklärbare Eigenschaft legt die Grundlage für einen leistungsfähigen Quantenrechner, in dem alle möglichen Lösungen eines Problems bereits vorliegen.

Dass Wolken aus etwa 10.000 einzelnen Atomen miteinander verschränkte Quantenbits bilden können, belegten in der dritten Nature-Veröffentlichung Jeff Kimble und seine Kollegen vom California Institute of Technology in Pasadena. Alle drei Arbeiten zusammen betrachtet zeigen, dass im Prinzip Arbeitsspeicher, Datenspeicher und Übertragung von Quanteninformation experimentell umsetzbar sind. Ist der Weg zu einem Quantencomputer noch weit, könnten erste Anwendungen bei der Übertragung von absolut sicheren Verschlüsselungscodes liegen.

Die "Quanten-Repeater" von Kuzmich und Eisaman haben das Potenzial, die Übertragungsreichweite und damit die Verteilung von Qubits mit einem Verschlüsselungscode zu erhöhen. Bisher halbiert sich die Qualität des Signals auf einer Strecke von 15 Kilometern. Klassische Digital-Verstärker sind wegen ihres schlechten Signal-Rauschverhältnisses ungeeignet für Qubits. "Aber das ist ein Langzeit-Ziel", erklärt Philippe Grangier vom Laboratoire Charles Fabry de l’Institut d’Optique in Orsay bei Paris. Bis zu einer konkreten Anwendung müssten noch Zählraten, Speicherzeiten und die Qualität der Quantenzustände signifikant erhöht werden. "Aber es ist nicht jenseits des Erreichbaren", so Grangier.

Jan Oliver Löfken

Weitere Infos:

  • Originalveröffentlichungen:
    W. Chou et al., Measurement-induced entanglement for excitation stored in remote atomic ensembles, Nature 438, 828 (2005).
    T. Chanelière et al., Storage and retrieval of single photons transmitted between remote quantum memories, Nature 438, 833 (2005).
    M. D. Eisaman et al., Electromagnetically induced transparency with tunable single-photon pulses, Nature 438, 837 (2005).
  • Kommentar:
    Philippe Grangier, Remember that photon, Nature 438, 749 (2005).
  • Georgia Institute of Technology:
    http://www.physics.gatech.edu
  • Harvard University, Cambridge:
    http://fas.harvard.edu
  • California Institute of Technology, Pasadena:
    http://www.its.caltech.edu
  • Institut für Quantenoptik und Quanteninformation, IQOQI, Innsbruck:
    http://www.iqoqi.at
  • Grundlagen Quanteninformation:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Quanteninformation

Weitere Literatur:

  • Bennett, C. H. et al. Phys. Rev. Lett. 70, 1895 (1993).
  • Briegel, H.-J., Dür, W., Cirac, J. I. & Zoller, P. Phys. Rev. Lett. 81, 5932–5935 (1998).
  • Duan, L.-M., Lukin, M., Cirac, J. I. & Zoller, P. Nature 414, 413–418 (2001).
  • Felinto, D. et al. Phys. Rev. A72, 053809 (2005).
  • Grangier, P., Roger, G. & Aspect, A. Europhys. Lett. 1, 173–179 (1986).

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